Friday, September 08, 2006

Globalisierungsbericht I

Bericht von der Globalisierungsfront

Diesmal ist es leider ein bisschen mehr geworden, aber zum einen habe ich nen super Computer bei uns im Buero ergattert, zum anderen regnet es gerade und ausserdem dachte ich, vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen von Euch:

Vivian und ich sind nun mittlerweile fast zwei Wochen hier in Tarkwa und wir haben eine Menge Eindruecke und Erlebnisse zu verarbeiten. Anfang letzter Woche ging es auch gleich genauso intensiv weiter wie der Sonntag zuvor aufhoerte. WACAM hatte einen dreitaegigen Workshop fuer die Mitglieder und Kandidaten des District Assembleys (D.A.) organisiert und ausgerichtet. Das D.A. ist die lokale parlamentarische Ebene in den 138 Districts des Landes. Jedem Assembley steht ein Chief Secretary vor, welcher hoechst eigens vom Praesidenten des Landes ernannt wird. Weiterhin werden 30% des Assemblys durch Vertreter der national regierenden Partei (momentan NPP von John Agykem Kufour) besetzt und der Rest kann dann frei gewaehlt werden. Wenn man dieses Konstrukt einmal kurz durchdenkt stellt man fest, dass die Oppositionsparteien reichlich schlecht dabei abschneiden. Diejenige Partei, welche die nationalen Wahlen gewinnt, hat demnach auch direkten Einfluss auf die einzelnen Regionen des Landes und kann die Entwicklung deutlich mitbestimmen. Ein doch sehr fragwuerdiges demokratisches Konstrukt. Es kann noch hinzu gefuegt werden, dass diese momentan existierende Konstruktion in der Oeffentlichkeit und bei verschiedenen Institutionen kontrovers diskutiert wird und sich in absehbarer Zeit auch Veraenderungen ergeben koennten.

Was mich aber auf diesem Workshop noch mehr erstaunte, war das mankelnde politische Wissen vieler Teilnehmer. Das Wissen ueber Staatsaufbau, Staatsstrukturen, Grundgesetze; Rechte, Pflichten und Aufgaben eines Assembley Mitglieds fehlte bei vielen Teilnehmern fast voelligst. Wenn man nun bedenkt das der Grossteil von ihnen am 12. September zur Wahl fuer die Assembley’s stehen und WACAM angeblich die einzige Organisation ist die solche Workshops durchfuehrt (lt. Angabe von WACAM, was jedoch noch zu ueberpruefen bleibt), dann ist dies doch sehr erschreckend. Die vorangegangenen Zeilen sollen jedoch nicht als Anklage an die Menschen aufgefasst werden, sondern vielmehr an den Staat der offensichtlich seiner Pflicht zur Bereitstellung von landsweiter Bildung nicht nachkommt. Beweise dafuer lassen sich dann ueberings auch recht schnell finden.
Ca. 1 Autostunde, bzw. Tro tro-Stunde, von hier entfernt liegt das Dorf Kofi Gyan. Es ist noch nicht vom Goldabbau betroffen, obwohl sich Tarkwa Goldfields Ltd. schon die Rechte an den Mineralien gesichert hat. Dieses Dorf ist noch so natuerlich und urspruenglich, dass es glatt ohne Elektrizitaet und Schule darsteht. Zudem stehen nicht einmal genuegend Unterkuenfte zur Verfuegung um moegliche Lehrer in dem Dorf unterzubringen. Also unterrichten die Dorfbewohner ihre Kinder selbst und zwar in der Kirche (denn die Schule ist vom Einsturz bedroht), doch dies gelingt nur bis zu einem Bildungsstand, vergleichbar mit dem eines 6. Klaesslers in Deutschland. Kann man also unter solchen Bedingungen ein einfaches politisches Wissen von den Menschen verlangen? Kann man eine effektive und zielgerichtete Arbeit von den Mitgliedern des Assembley’s unter solchen Vorraussetzungen erwarten?

Fuer uns war der Workshop jedoch sehr lehrreich, denn er lieferte einen umfassenden Ueberblick ueber die politische und rechtliche Situation in Ghana. Durch ihn wurden fuer uns viele Zusammenhaenge und Denkweisen verstaendlicher. Ein Beispiel?

Das Dorf Chujah bietet sich hier an. Eine kleine 100 Seelen Gemeinde die hauptsaechlich von der Landwirtschaft lebt und sich ernaehrt bzw. man sollte sagen, gelebt und ernaehrt hat. Die Firma Bogoso Goldmines Ltd. hat vor mehreren Jahren das Land auf dem Bananen, Cassava und Kakao angebaut wurden, von seinem rechtmaessigen Eigentuemer erworben. Der Eigentuemer ueber die 1.800 Hektar umfassenden Laendereien ist der Paramount Chief, welcher dem Dorf vorsteht. Dieser hat fuer den Verkauf vor Jahren eine viel zu niedrige Kompensationszahlung erhalten und diese zu gerechten Teilen an die Bauern weitergeleitet. Die Bauern haben sich gefreut, denn das Land wurde nicht sofort von Bogoso in Beschlag genommen und sie konnten neben der einmaligen Sonderzahlung weiterhin von ihrer Landwirtschaft leben. Mittlerweile hat sich das Blatt jedoch gewendet. Die angrenzenden Minenarbeiten, fuehrten ueber Jahre hinweg zur Verschmutzung des Grundwassers und somit zur unwiderruflichen Abhaenigkeit von Wasserlieferungen durch die Goldminenfirma. Das dies natuerlich nicht immer reibungslos klappt erwaehne ich hier nur am Rande. Des Weiteren fuehren die Sprennungen des Gesteins zu enormen Erschuetterungen, so dass die Betonwaende der Haeuser Risse bekommen und Einsturzgefaehrdet sind. Ab Mitte Oktober werden nun schlussendlich auch die Bulldozer anrollen und die Farmen der Dorfbewohner zerstoeren, um auf dem Land eine Kaffeeplantage zu errichten. Diese wird natuerlich nicht genuegend Arbeitsplaetze fuer alle betroffenen Bauern schaffen, so dass ein Grossteil ohne Arbeit und Einkommen darsteht. Und die geringen Kompensationszahlungen? Die sind zumeist schon laengst aufgebraucht oder werden dies in naher Zukunft sein.
Nun stellt sich jedoch die Frage: Ist die Bogoso Goldmines Ltd. der Boesewicht auf dem die ganze Schuld lastet und den die Dorfbewohner so lautstark anklagen?

Das Problem stellt sich verzweigt dar.

Die externen Effekte des Goldabbaus sind ein enormes Problem fuer die die einzelnen Minengesellschaft Rechnung tragen muessen und fuer deren Umsetzung es auch sicherlich gilt zu kaempfen. Ein weiteres, nicht minderes, Problem jedoch liegt bei dem Paramount Chief. Er steht dem Dorf vor und die Dorfbewohner vertrauen ihm, sie sind ihm hoerig, sie folgen seinem weisen Ratschlaegen und zweifeln selten etwas an. Er hat die Aufgabe sein Dorf zu beschuetzen und einen angemessenen und fairen Preis fuer DAS Land auszuhandeln, von dem alle im Dorf abhaenig sind. Doch der Chief ist wohlbeleibt und wird gut von der Minenfirma bezahlt. Er denkt in erster Linie an sich, anstatt an faire Verhandlungen. Sein Status laesst ihn fast immer unangetastet.
Diese Situation, welche mir rechtlich gestuetzt scheint, fuehrt nun dazu, dass:
a) die Goldminen ordnungsgemaess Land erwerben, auf diesem Goldabbau betreiben und das Recht besitzen Doerfer umzusiedeln. Die noetige umfassende soziale Verantwortung fuer die betroffenen Communities wird jedoch nur eingeschraenkt uebernommen.
b) die Chiefs vieler Doerfer noch reicher und beleibter werden, als sie es eh schon sind. Das Gesetz gibt ihnen die Moeglichkeit ihre Laendereien fuer einen Bruchteil ihres Wertes zu verkaufen und somit komplette Doerfer in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
c) die Dorfbewohner in erster Linie das Problem in den Goldminen und nicht in der unfairen Rechtslage und der Ruecksichtslosigkeit ihrer Chiefs sehen. Der geringe Bildungsstand fuehrt zu Hilfslosigkeit der Dorfbewohner, welche sich nicht selten in lautstarken Aeusserungen und in Demonstrationen aeussert.

Was kann nun angesicht dieser umfassenden Problematik die Aufgabe eines Geografen sowie eines Oekonomen innerhalb von knapp zwei Monaten sein? Was ist realistisch zu erreichen, was ist Utopie?
Wir haben unsere Zeit zweigeteilt. Die eine Haelfte werden wir damit verbringen mehrere Auswirkungen des Goldabbaus dokumentarisch auf MiniDV festzuhalten. Dabei wollen wir ein betroffenes Dorf mehrere Tage lang besuchen und die Menschen dort begleiten. Wir wollen die Aufklaerungsarbeit von WACAM in den Doerfern zeigen, wir wollen Galamsey’s (nicht organisierte Minenarbeiter) bei ihrer Arbeit beobachten und ihr Leben festhalten und dies zu letzt in den Kontrast mit dem maschniellen Abbau von Gold in den grossen Minen stellen. Bis zum jetztigen Zeitpunkt konnten wir schon eine Menge Kontake aufbauen und hoffen das wir in den naechsten Wochen erfolgreich filmen koennen.

Fuer die zweite Haelfte haben wir uns eine etwas wissenschaftlichere Arbeit vorgenommen. Unsere Idee ist folgende: Wir wollen versuchen fuer die Communities, welche noch nicht von Minenaktivitaeten betroffen sind, die geografischen Auswirkungen bei einem moeglichen Landverkauf zu ermittlen (betroffene Groesse der Landflaeche, Aenderung der Vegetation, moegliche Umweltverschmutzungen, geografische Auswirkungen auf das Dorf), am Beispiel von 1-3 Farmern. Daran anknuepfend wollen wir einen oekonomischen Preis fuer einen Hektar Land einer bestimmten Anbausorte ermitteln, welcher unter oekonomischen Gesichtspunkten als gerecht erscheint.
Die Arbeit soll den Communities helfen in Verhandlungen mit den Firmen einen besseren Standpunkt zu erhalten, da ihre Forderungen dann auf einer wissenschaftlichen Arbeit basieren. Zudem kann sie fuer WACAM hilfreich sein, um die Menschen auf Grundlage fundierter Informationen und Daten besser zu sensibilisieren.
Was hierbei umgesetzt werden kann wird sich jedoch erst in den kommenden Wochen rausstellen. Ich werde hier noch bis Anfang November mitarbeiten, Vivian ist noch ein Monat laenger hier, da diese Arbeit seine Diplomarbeit werden soll. Wir haben uns vielleicht zu viel vorgenommen, doch auch wenn wir nur einen kleinen Teil davon realisieren, haben wir sicherlich schon viel erreicht.

Es gaebe noch so viel mehr zu erzaehlen, doch ich werde jetzt hier aufhoeren und Euch nicht laenger von Wichtigerem abhalten. Wer sich dies bis zum Ende durch gelesen hat, fuer den hoffe ich, dass es informativ war und er etwas mitnehmen konnte. Denn von der Zeit hier in Ghana moechte ich auch andere teilhaben lassen.

Alles Gute nach Deutschland und bis demnaechst.

Euer Sebastian

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