Wednesday, November 01, 2006

Abschliessende Worte

Meine Zeit in Ghana geht nun langsam dem Ende entgegen. Ich habe das Gefühl wenn ich noch einen Monat ran hängen könnte, dann hätte ich die Chance noch viel mehr zu entdecken, doch das selbe Gefühl begleitet mich wenn ich noch ein ganzes Jahr verlängern würde. Wir haben zusammen, Vivian und ich, unglaublich viel erfahren, entdeckt, erforscht, hinterfragt und gefilmt, so dass ich mit einem Gefühl aufhören kann.
Was bei mir rückblickend hängen bleibt, sind auf jeden Fall die unglaublichen Erfahrungen die ich hier machen durfte. Die gänzlich andere Kultur, die Mentalitäten und Arbeitsweisen der Menschen hier vor Ort, die Freundlichkeit und Herzlichkeit die uns zu Teil wurde, aber auch die persönlichen Erfahrungen die nicht minder ins Gewicht fallen.

Ich habe im Hinblick auf meine Zeit nach dem Studium eine Menge erfahren. Der Beruf der Entwiclungszusammenarbeit hat mich seid längerem gereizt, doch um festzustellen ob ich mir das wirklich vorstellen kann, war einer meiner Gründe für diese Reise. Ich habe für mich erfahren, dass ein Leben in einem Land wie Ghana eine sehr bereichernde Erfahrung ist, von der man vermutlich sein Leben lang zehren wird, doch auf der anderen Seite habe ich wieder einmal feststellen müssen wie sehr ich doch mit Europa, mit Deutschland und unserer Kultur verbunden bin. Ich bin kein Afrikaner und ich werde dies auch nie sein. Aufgewachsen „im Herzen von Europa“, um Deutschlands Selbstdarstellung hier im Fernsehen einmal zu zitieren, freue ich mich wieder zurück zu kommen, auf meine Freunde und auf die vielen kulturellen und kulinarischen Dinge die mich erwarten. Ich würde jedoch jederzeit nach Ghana und generell nach Afrika zurück kehren, aber nicht für immer, sondern immer nur für eine begrenzte Zeit. Ich kann mir vorstellen den einen oder anderen Kontakt hier unten zu pflegen und auch beruflich den afrikanischen Kontinent nicht zu meiden, doch alles in einem zeitlichen Rahmen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei meinem „Tandempartner“ Vivian bedanken! Wir waren sicherlich das aussergewöhnlichste GLEN-Tandem dieses Jahres. Nicht nur weil wir das einzige Deutsch-Deutsche-Tandem sind, sonder vielmehr aufgrund unserer unglaublich guten Zusammenarbeit. Vielen Dank ich habe die Zeit mit Dir wirklich genossen!

Wir sind am letzten Freitag zusammen nach Accra in die Hauptstadt gefahren, um die letzten Szenen unseres Filmes abzudrehen. Das Ende unseres Projektes stellt dann eine Präsentation vor der Deutschen Botschaft und der GTZ dar. Beide Institutionen waren an unseren Erfahrungen und Eindrüclen interessiert und so haben wir die Chance genutzt die Situation aus unserer Perspektive heraus zu beschreiben. Ich hatte das Gefühl wir waren dabei sehr erfolgreich und die Damen und Herren kamen dadurch einmal in den Genuss eines anderen Bildes, als das sie sonst von dem Staat oder den Minenfirmen erhalten.

Für Vivian ging es dann heute wieder zurück nach Tarkwa, für einen weiteren Monat. Ich werde noch ein wenig reisen, mir das Land anschauen, den Abschluss mit Vivian und ein paar anderen Freunden für ein paar Tage in der Green Turtle Lodge feiern und dann wieder zurück nach Deutschland fliegen.

Wenn ich die Zeit und ein Internetcafe finde, werde ich von meinen letzten Tagen im Land noch einmal berichten. Ansonsten bedanke ich mich bei allen die ihren Weg auf meine Seite gefunden haben und hoffe das ihr die eine oder andere Erfahrung mit mir teilen konntet.

Vielen Dank für Euren langen Atem und die vielen Zuschriften

Euer Sebastian

Kamera verstecken, auf das Flugzeug warten und drauf halten. Leider hatten wir an diesem Tag kein Glueck mit dem Flugzeug, dafuer hatte sich aber die Aussicht gelohnt.

“Baby” bzw. Christa-Isabelle, juengstes Mitglied der Familie und totaler “House” Fan.

Abendessen bei Grace. Bodie (unser Vermieter), Vivian, Grace und Ich. Das Essen war super, nur kann ich mittlerweile kein rotes Palmenoel mehr sehen….

Bei der Arbeit. Bleibt lediglich die Frage offen was eigentlich mein Tandempartner noch traegt….nicht viel an diesem Tag. :-)

Unsere Gastfamilie: Grace (Mutter und Superkoechin), Vivian, Kofi (Freund der Familie), Ich und ein Haufen Kinder

Globalisierungsbericht IV

Aufgabenverteilung und Resumee

Das Ende naht mit grossen Schritten. Aufrgund von nunmehr 2,5 Monaten in Ghana und der täglichen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Goldtagebaus, haben wir uns ein wenig Transparenz und Verständnis für die Thematik erarbeitet. Ich kann jedoch nicht behaupten das ich alle Details kenne, geschweige denn sicher sein ob das was wir in Erfahrung bringen konnten auch alles 100%tig richtig ist. Immer wieder erleben wir Überaschungen, werden unsere Ansichten umgeworfen, uns Gegenteiliges berichtet und kleine Teile unseres Bildes zerstört. Ich denke man muss bei solch einem Projekt bereit sein immer wieder das Puzzel neu zusammen zulegen, ewige Gespräche zu führen und versuchen nicht müde zu werden und aufzugeben.

Was letzteres betrifft so muss ich vielleicht ehrlich zugeben das ich etwas müde bin. Ein Motivationsloch beschleicht mich um auch an den nächsten Ort zu fahren, die nächsten Meinungen einzuholen und zu versuchen sie in unser kleines Bild zu integrieren. Die Zusammenhänge sind komplex und nicht einfach zu vestehen. Ich behaupte, dass jeder der von dieser Problematik umfassend berichten möchte und gleichzeitig den Anspruch erhebt objektiv sein zu wollen, anstatt als Sprachrohr anderer zu dienen, dass derjenige es reichlich schwer haben wird.
Wer aber schafft es dann angesichts solcher Verstrickungen noch ein objektives Bild zu zeichnen? Wer kann dies alles aufschlüsseln und versuchen die Knoten zu lösen?

Ich frage mich ob diese Aufgabe zum Teil dem Jounalismus zu kommt?

Vielleicht. Schlage ich eine gängige ghanaischen Tageszeitung auf, so finde ich Artikel mit unzähligen Zitaten und Ausführungen anderer. Man hat das Gefühl einem Konglomerat an Statements und Ansichten gegenüber zustehen. Es sind Puzzelteile, die sofern ich gewillt bin mir selber zusammen legen kann, um mir ein Bild des Gegenstandes zu machen. Das klingt sicherlich in erster Linie sehr objektiv und führt dazu das keine vorgefertigten Meinungen entstehen, doch wer klagt dann einfach mal an! Wer erhebt die Stimmer der Opposition um die Geschehnisse und Tätigkeiten in ein diverenziertes Licht zu rücken? Sicherlich findet man auch solche Zeitungsartikel, doch diese sind dann entweder von einem grossen britischen Medienunternehmen geklaut oder nur spärlich zu finden. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage ob eine Journalist in Ghana diese Ansprüche erfüllen kann. Ein Freund von uns, er schreibt für eine der grossen Tageszeitungen, ist für die komplette Western Region zuständig. Er muss alles abdecken, was er und seine Redaktion für wichtig erachten. Wie viel Zeit bleibt ihm um die wirklichen Geschehnisse und Verstrickungen zu hinterfragen, sprich investigativ tätig zu sein? Wie soll er sich ein Bild machen wenn ihm nicht die Zeit und vermutlich auch nicht die Ressourcen dafür in Aussicht gestellt werden. Was übrig bleibt sind zum grössten Teil Artikel welche zusammenfassen, anstatt aufzuklären und zu hinterfragen. Ich bin kein Journalist, doch ich denke diese Gegebenheiten tragen nicht positiv zur politischen Bildung der Menschen in diesem Land bei. Eine Bildung die meines Erachtens wichtig ist, aus der vielleicht eines Tages jemand entspringen kann, um die Entwicklung seines Land nicht nur für die eigene Tasche voran zu treiben, sondern auch für die Menschen, auf deren Rücken (bzw. hier sind es die Köpfe) die Arbeit lastet.

Aber vielleicht ist es ja auch die Aufgabe der internationalen Organisationen und Programme, die für Transparenz und Entwicklung sorgen sollen?

Gleich am Anfang unserer Arbeit hier vor Ort sind wir auf eine Initiative gestossen, welche für mehr Transparenz bei den staatlichen Einnahmen aus der Rohstoffindustrie sorgen soll. EITI, Extractiv Industrie Transparency Initiative, vorgeschlagen 2002 von Tony Blair auf dem Kongress für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, Südafrika.
Im letzten Jahr hat die Regierung Ghanas die Implementierung dieser Initiative im Rofstoffsektor des eigenen Landes beschlossen. Anfänglich war auch die GTZ (Gesellschaft für technischen Zusammenarbeitung; Consultant der deutschen Entwicklunsghilfe) involviert, nun jedoch übernimmt ein privates Unternehmen diese Aufgabe. Im ersten Moment hört sich die Initiative sehr viel versprechend an, denn sie soll die Wege und Lücken der Einnahmen des Staates aus dem Minenaktivitäten durchleuchten und evaluieren. Beim genaueren Hinsehen jedoch tauchen eine Menge Fragen auf.

Wenn man sich ein paar Minuten Zeit nimmt und sich mit der Einnahmenstruktur des Staates aus dem Minensektor beschäftigt, so wird einem diese durchaus sehr schnell transparent. Es ist öffentlich bekannt wodurch und wieviel der Staat von den Minenunternehmen einnimmt, dies lässt sich im Minerals und Mining Act anschaulich nachlesen. Die Frage die jedoch bleibt ist, was für eine Transparenz überhaupt geschaffen werden muss? Sicherlich mag es mit der Steuereintreibung durch den Staat und der Steuerzahlungsmoral der Unternehmen in Ghana nicht weit her sein, viel interessanter ist aber der Versuch nachzuvollziehen, welcher Anteil wirklich bei den Menschen verbleibt die von den Aktivitäten direkt betroffen sind.

Um Euch die komplette Aufschlüsselung zu ersparen, komme ich direkt auf den Punkt. Nicht weniger als 4,95% der Einnahmen aus Mineral Royalties stehen für Community Development zur Verfügung. Transparenter gesprochen bedeutet dies, knapp 5% von dem Anteil des Staats aus der Gewinnung von Rohstoffen durch die Unternehmen (3% der erzielten Erträge müssen an den Staat abgeführt werden) wird den einzelnen lokalen Verwaltungen zur Entwicklung des Dörfer bereitgestellt. In Zahlen gesprochen sind das von 21,5 Mio € Royalties pro Jahr (Quelle: Chamber of Mines), sage und schreibe 1,1 Mio €, die direkt an mehrere hundert betroffene Dörfer zurück fliessen sollen. Der Rest geht zum grössten Teil an den Staat (80%) und der verbleibende Teil an die Verwaltungsorgane von Staat, Chieftancy und lokalen Institutionen. Ich bezweifle das von dem stattlichen Anteil des Staates (welcher noch weitere Einkünfte aus Dividenen und Unternehmenssteuern zu verzeichnen hat) viel an die Communities und deren Bewohner zurück geht, denn der geringe Betrag von 1,1 Mio und der Blick in die Dörfer bestärkt mich in dieser Ansicht.

Leider befasst sich jedoch EITI nicht mit der Schaffung von Transparenz auf dieser Ebene.

Am Ende zeigt sich mir ein Bild, in dem der Staat seine Steuereintreibungen dringend forcieren muss (einige Steuern werden von den Unternehmen teilweise bis gar nicht bezahlt bzw. versickern sofort in fremden Taschen), aber was weitaus wichtiger ist, dass das primäre Problem nicht in der Höhe der Steuereinnahmen liegt sondern vielmehr an der Verteilung dieser.
Auf der anderen Seite ist es aber auch fragwürdig ob der Staat eine Transparenzinitiative in diese Richtung überhaupt zu lassen würde, denn immerhin würde er sich damit ganz klar in das eigene Fleisch schneiden. Es besteht somit ein Bedarf an inländischen, aufgeklärten und motivierten Menschen, die versuchen die verkrusteten und entwicklungshemmenden Strukturen aufzubrechen und zu verändern.

Um die Situation in Ghana abschliessend in zwei Sätzen zusammen zufassen, möchte ich die Beschreibung eines solchen Mannes wiedergeben und zwar des Anwaltes von WACAM. Ein Mensch der mich unglaublich imponiert, inspiriert und motiviert hat:
Ghana befindet sich an einem Punkt an dem sich seine Wirtschaft von einer traditionellen Wirtschaftsstruktur hin zu einer Modernen entwickelt. Was jedoch fehlt sind die Rahmenbedingungen, so das alle Menschen in diesem Land von der Entwicklung profitieren können.

Ich wünsche Ghana und all seinen Menschen das sie in der Zukunft auch diesen Wandel friedlich und zufriedenstellend vollziehen, denn auf diesem Land ruhen viele Erwartungen, ausgehend von den eigenen Menschen und denen des ganzen Kontinents.

Saturday, October 14, 2006

Zwei Gesichter


Green Turtle Lodge, ein kleine und zugleich wunderschöne Anlage, gelegen an einem der schönsten Stränden dieses Landes. Ca. 7km langer feiner Sandstrand, gesäumt mit wunderschönen Palmen und traumhaften Wassertemperaturen. Es ist ein auf Ökotourismus basierendes kleines Hotel, welches von einem jungen engländischen Pärchen aufgebaut und geführt wird. Unterhält man sich mit Menschen die schon einmal in den letzten Jahren in Ghana waren, so kommt man unweigerlich auf diesen wunderschönen Ort zu sprechen. Es wird von ihm geschwärmt, über die Grenzen des Landes hinweg.
Nach nun mittlerweile fast zwei Monaten in Ghana kamen Vivian und ich an den Punkt, an dem wir eine Auszeit brauchten. Wir versuchten in den vergangenen Wochen intensivst die Probleme und Verflechtungen des Goldabbaus zu entdecken, zu verstehen, zu filmen und zu rekapitulieren. Dies war nicht immer leicht wie ihr vielleicht in meinen letzten Berichten gelesen habt. Ich musste feststellen, dass die Aufgabe einen kleinen Film zu produzieren eine Menge Zeit und Arbeit bedarf, besonders wenn man in einem vollkommen anderen Land arbeitet. Mit fehlte am Ende an vielen Stellen die Lust mich weiter mit dem Thema Goldabbau zu beschäftigen, mir noch eine weitere Meinung anzuhören, wieder zu versuchen das ganze Geflecht von vorn aufzurollen, um dann die Standpunkte in eine Struktur zu bringen.
Es war Zeit für uns einen Schritt zurück zu treten, mal an etwas anderes zu denken, um dann mit neuer Motivation die letzten Wochen angehen zu können. Wir entschieden uns zusammen mit Julia (der polnischen ASAtin) und ihrer Schwester in die besagte Green Turtle Lodge zu fahren. Nach einer nicht ganz unbeschwerlichen Reise (man braucht ein wenig Glück um ein Trotro bzw. überhaupt einen fahrbaren Untersatz für das letzte Stückchen zur Lodge zu bekommen, da diese eingebettet in Palmenlandschaften abseits von scheinbar jeder Zivilisation liegt) erreichten wir am Sonntag Abend unser Domizil. Die Unterkunft, hergerichtet im landestypischen Stil mit Lehmhäusern und umgeben von Palmen schien für uns das reine Paradies. Der Eigentümer hat zum einen darauf geachtet, dass, sofern es möglich war, hauptsächlich örtliche Materialien und Arbeitskräfte zu verwenden und zum anderen großen Wert auf ökologische Standards gelegt. Es wird ausschließlich Personal aus den umliegenden Communities beschäftigt und zudem wurde ein Fond für die Communties eingerichtet, über welchen sie eigenständig verfügen können. Alles in allem ist es ein Ort, bei dem scheinbar die Kombination aus der Befriedigung westlicher Nachfrage, Übernahme von sozialer Verantwortung für die umliegenden betroffenen Dörfer sowie die Einhaltung umweltfreundlicher Bedingungen (Solarenergie, Self Decomposting Toilets,...), gelungen ist.
Für sich betrachtet, so scheint mir, haben die Besitzer dieser Lodge das geschafft, was Minenunternehmen seid über 20 Jahren in diesem Land noch nicht hervor gebracht haben. Diese Aussage, und das ist mir durchaus bewusst, steht auf wackligen Beinen. Wir haben uns weit mehr mit der Goldproblematik auseinander gesetzt als mit den sozialen Auswirkungen von touristischen Unternehmungen an den Küsten Ghanas. Aber ich stelle dies trotzdem einmal in den Raum!
Die Woche bestand dann für uns hauptsächlich aus surfen, schlafen, lesen und entspannen in der Hängematte. Nicht zu vergessen natürlich noch aus essen, denn die Küche in der Lodge war hervorragend. Ich hatte viel Zeit über einige offene Fragen aus den letzten Wochen zu brühten und mir versucht einige Sachen verständlicher zu machen. Am Ende schaue ich auf eine unglaublich entspannende Woche zurück, in der wir eine ganz andere Seite dieses Landes kennen gelernt haben.
Waren wir die Wochen zuvor unglaublich tief in das Leben und die Strukturen der Menschen in diesem Lande eingebettet, so waren wir in der letzten Woche ganz einfach Touristen. So sehr auch die Lodge versucht ihr Geschäft in die sie umgebende Umwelt zu integrieren, so nahmen wir als Gast doch unweigerlich eine andere Position als in Tarkwa ein. Wir erlebten ein völlig anderes Ghana. Keine Kinder die „Obrouni" riefen, keine Nachfragen nach unseren Adressen, kein Fufu oder andere typische ghanaischen Gerichte (der Richtigkeit halber muss ich an dieser Stelle hinzufügen, dass es durchaus möglich gewesen wäre das eine oder andere ghanaischen Gericht zu erwerben, doch haben wir aufgrund der anderen europäischen Köstlichkeiten nie davon Gebrauch gemacht) und keine überfüllten Strassen und Menschenmassen. Ich will nicht verheimlichen das wir die Zeit sehr genossen haben, nicht weil wir keine Lust mehr auf das andere Ghana hatten, sondern vielmehr weil wir erst bemerkten was geschehen war, als wir gestern wieder in Tarkwa angekommen sind. Das kaputte Trotro auf dem Weg in die Stadt, was unsere gerade noch bis zum Ortsrand brachte, die vielen Menschen auf der Strasse und die überschwängliche Begrüßung durch unsere kleine Familie hier, haben uns wieder zurück gebracht in das eigentliche Ghana, welches doch für uns zu entdecken galt.
Mir verbleiben noch ca. drei Wochen in dieser mir schon fast ein wenig heimisch gewordenen Minenstadt. Ich freue mich nun unseren Film zu Ende zu drehen, um dann am Ende noch ein wenig durch das Land zu reisen, bis ich wieder nach Deutschland zurück kehre.
Ich hoffe es geht Euch allen gut und sende Euch sonnige Grüße von der Westküste Afrikas.
Und noch ein paar Fotos von unserer Woche am Strand in der Green Tutle Lodge:


Hier seht ihr das Dorf Akwidaa, welches ganz in der Naehe von unserer Lodge liegt und auch noch unglaublich schoen war.

Der Blick aus der Haengematte. Mein Lieblingsort uebrings!

Unsere Unterkunft. Lehmhuetten um landestypischen Stil.

Thursday, October 12, 2006

Hier noch ein Foto von mir bei unserer exklusiven Minentour (...mit einem reichlich bloeden Grinsen...).

Wednesday, October 11, 2006

Globalisierungsbericht III
Der Versuch einer Konzeption
Es gibt in unserem Leben Tage, an denen scheinen die morgendlichen Stunden am Abend so weit entfernt und entfremdet, als waeren die Geschehnisse vor geraumer Zeit passiert. An diesen Tagen rollt eine so immens grosse Flut an Informationen und Emotionen ueber uns, dass es mir wirklich schwer faellt dies alles zu verarbeiten.
Ich versuche dann in den darauf folgenden Tagen meine Gedanken zu ordnen, einen Schritt zurueck zu treten um das zuvor Erlebte aus der Distanz neu zu betrachten. Ich versuche die Sichtweisen zu hinterfragen und was haeufig noch schwieriger ist, sie zu verstehen. Die Wiedergabe meines Erlebten in diesem Blog hilft mir, eine Struktur in die Wirren zu bringen die uns hier begegnen. Es schafft eine gewisse Ordnung an der ich mich festhalten kann.
Die Fragen die in meinen Kopf die letzten Tage auftauchen sind hauptsaechlich: Wo stehe ich? Welche Position vertrete ich? Wer ist boese, wer ist gut bzw. gibt es diese Positionen ueberhaupt bei unserer Problematik? Wir sind mittlerweile in unserem Projekt an dem Punkt angelangt, an dem wir versuchen die einzelnen betroffenen Gruppen (fachlich: Stakeholder genannt) zu treffen, mit ihnen zu reden um uns ihre Sicht der Dinge anzuhoeren. Unsere Vorgabe fuer den Film lautet in erste Linie: Objektivitaet. Doch ich merke immer mehr das dieses Ziel hoch gesteckt und aeussert schwer zu erreichen ist. Man wird hin und her gerissen von den Sichtweisen der einzelnen Interessensgruppen, von Ihren Standpunkten und Argumentationen. Ich frage mich, wieviel ist davon jeweils vertretbar und was sind ueberzogene Bedingungen?
Ich sehe unsere NGO mit der wir hier vor Ort zusammen arbeiten, deren Kontakte wir nutzen und die uns hilfreich bei unserer Arbeit zur Seite steht. Wenn wir nicht draussen sind und filmen, arbeiten wir im Buero. Dann unterhalten wir uns mit den Mitarbeitern und ich bekomme folgendes Bild: Die Minenunternehmen sind grundsaetzlich schlecht. Die NGO hat nichts gegen Minenaktivitaeten, jedoch nicht ohne die soziale Verantwortung fuer die betroffenen Menschen zu übernehmen. Es ist die Aufgabe der Minenfirmen sich umfassend um die Menschen zu kuemmern, ihnen Jobs zu geben und ihr Leben auf ein hoeheres Entwiclungsniveau zu bringen. Die Klage richtet sich an die multinationalen Konzerne, mit denen sie aufgrund des immensen Interessenkonflikts nur spaerlich kommunizieren.
Aber was sagen die Konzerne? Nach einem Besuch auf dem Gelaende einer der groessten Minenfirmen hier in der Gegend konnten wir uns ein Bild von ihrer Seite machen. Wir bekamen eine Tour ueber das Gelaende sowie ein Interview mit Frau J.M., der Community Relations Beauftragten der Firma. Sie ist Anfang 30 und kommt aus England. Sie hat Geografie und Landschaftsplanung studiert und schreibt nun neben ihrem 6-Tages-Job noch ihre Doktorarbeit an der University of London. Sie sieht sympatisch aus, ist nicht extra vagant gekleidet oder ueberheblich. Ihre Boots vermitteln vielmehr den Eindruck, dass sie sich gerade auf den Sprung in die Communities befindet, an die Brennpunkte, da wo es Probleme gibt. Wir finden jedoch heraus das dies nicht der Fall ist. Frau J.M. besucht generell keine Communities, im Grunde genommen besucht kein Expat (Expatriats - ausländische Mitarbeiter) eine Community, denn dafuer gibt es eigene ghanaische Angestellte, die ebenfalla aus Doerfern kommen und eine bessere Basis fuer die Klaerung der Probleme mitbringen. Sie erklaert uns die "There is no problem"-Theorie des Unternehmens. Nach direkten Nachfragen und dem Bezug auf spezifische Problematiken, wie der Wasserversorgung in Communities wie Chujah (welche wir die Woche zuvor fuer drei Tage besucht haben und diese auf dem Konzessionsgelaende von der Minenfirma liegt), gesteht Frau J.M. doch ein das nicht alles was glaenzt Gold ist. Ja, es gebe Probleme mit dem Grundwasser, doch die Firma hat bereits neue moderne Filteranlagen gekauft und es gibt auch ein neues System um das Problem des zu hohen Eisengehaltes zu loesen. Was passiert jedoch in der Zwischenzeit? Chujah ist von Wasserlieferungen der Firma abhaenig, doch diese bleiben haeufig aus und die Bewohner stehen ohne Trinkwasser da und muessen auf das verschmutzte Wasser zurueck greifen? Dieses Problem scheint ihr neu. Davon hat sie noch nichts gehoert und der zustaendige ghanaische Community Beauftragte konnte auch keine Beschwerde bei seinen woechentlichen Konsultationen feststellen. Sie sieht das Problem des Wasser als akut an und setzt es ganz oben auf ihre Prioritaetenliste. Das Problem ist ihr sogar so wichtig, das Vivian und ich zusammen mit zwei Angestellten der Firma ins Auto steigen und in die Community fahren. Wir stehen da, mit den Dorfbewohnern und den Abgeordneten des multinationalen Konzerns und erlaeutern die Problematik der Wasserslieferungen. Ploetzlich ist es jedoch nicht mehr das verschmutzte Trinkwasser, welches die Dorfbewohner trinken, sondern das Wasser einer anderen Community welches sie ueber ein paar Kilometer zu sich ins Dorf transportieren.
Ich werde stutzig. Also trinken die Menschen doch kein verschmutztes Wasser, sondern haben die Problematik des Transportes. Vor einer Woche als wir das Dorf besuchten, hoerte sich das noch alles anders an. Ich hatte das Gefuehl die Situation war schlimmer und viel auswegsloser. Doch auf dieses Gefuehl komme ich spaeter noch einmal zu sprechen.
Die Community und die Firmenbeauftragten einigen sich. Die beiden Vertreter geben zu das sie ein Problem mit ihrem Tanklastwagen haben. Er fasst nicht genug Wasser und er ist haeufig kaputt. Die Loesung ist ein zweiter Polytank, den die Firma bereit stellen will. Wir haben die Situation und die Gespraeche gefilmt. Gluecklich und zugleich verwirrt fahren wir nach Hause. Was am Ende dieses Tages haengen bleibt, sind einige der letzten Worte unseres Gespraeches mit Frau J.M.. Die Firma ist in erster Linie ein Unternehmen, was darauf angewiesen ist Gewinne zu erwirtschaften. Sie sind hier um Gold abzubauen. Sie zahlen den von ihnen geforderten Preis an die Regierung und an die Communities direkt. Sie zahlen mehr Kompensationen als sie eigentlich muessten und tun auch sonst viel fuer ihre Umgebeung. Sie versteht nicht warum die Firma in so einem schlechten Licht dargestellt wird, denn im Grunde genommen leisten sie ihre Pflicht der corporate responsibility, in dem (immerhin) 0,1% der Gewinne an die betroffenen Communities gehen.
Ich wandere gedanklich noch einmal durch die riesigen Abräumhalden, durch die zerstoerte Umwelt, schaue auf die Monokulturen die uns als Rehabilitationsflaechen angepriesen wurden. Ich denke aber auch zurueck an meine ersten Stunden in der Universitaet, an die Einfuehrung in die Betriebswirtschaftslehre. Hat da nicht einmal ein Professor behauptet, dass die Gewinnerzielung das oberste Ziel eines Unternehmens darstellt und dies auch so sein müsste? Was ist also falsch an dem multinationalen Konzern? Er ist hier um Gewinne zu erwirtschaften, er erfuellt seine gesetzlichen Pflichten, bezahlt seine Rechnungen an den Staat und die von ihm verlangten Gelder an die Communities. Dann springen jedoch meine Gedanken zurueck in das Dorf Chujah. Ich sehe die schlechten Lebensbedingungen und die nicht stattgefundene Entwicklung seid Beginn des grossflaechigen Goldabbaus zu Beginn der 1980ziger Jahre. Schenke ich der Stimme der Community Relations Beauftragten glauben, so wird sich die Zukunft fuer alle positiv entwickeln, es wir keine Probleme geben und jeder wird von der Anwesenheit der Firma profitieren.
Mein Bild ist verzerrt und ich suche nach einem Schuldigen.
Wir befinden uns auf dem Konzessionsgelaende einer anderen grossen Minenfirma. Dieses Mal sind wir nicht offiziell von der Firma eingeladen, sondern vielmehr von ihren "Ruhestoerern" und "Troublemaker". Wir sind unterwegs mit Galamsey's, illagale Goldschuerfer, die auf den Konzessionsgelaenden ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Taetigkeit hat Tradition. Schon im 14. Jhd. wurde hier nach Gold gesucht und abgebaut. Diese Art der Einkommenserzielung ist ein wichtiger Bestandteil fuer viele Haushalte in dieser Region. Im Zuge der grossen Minenfirmen, der Erteilung von Minenkonzessionen und dem Verkauf ihres Landes an diese Firma hat sich das Bild jedoch veraendert. Die multinationalen Konzerne sind im Besitz der Abbaurechte, des Landes und der Plantagen die sich auf diesem Land befinden. Sie haben sich nach geltenden ghanaischen Recht diese Basis geschaffen. Die Bevoelkerung hatte damals eine schwache Position in den Verwandlungen, sie wurde nicht geschuetzt durch den Staat, so dass viele Menschen aufgrund von Unwissenheit und Glaube an das Gute ihr Land und ihre Basis verloren haben. Nicht nur das Ackerland fuer die Landwirtschaft ging verloren, sondern auch die Gebiete fuer ihren zweiten Einkommenszweig, der Goldgewinnung. Es gibt nicht genuegend Arbeit fuer alle betroffenen Dorfbewohner in den einzelnen Minenfirmen, was auf den schlechten Bildungsstand der Dorfbewohner und der Untaetigkeit der Unternehmen zurueck zu fuehren ist. Doch um Cassava anzubauen und Holzkohle herzustellen braucht man keinen universitaeren Abschluss. Der Nachteil ist jedoch, dass die beiden landwirtschaftlichen Produkte nicht genuegend Geld einbringen um die Schulgebuehren fuer die Kinder zu bezahlen, welche der Staat hier verlangt. Bildung ist der Anfang vom Ende der Armut, doch eine bessere Zukunft fuer die eigenen Kinder ist leider nicht umsonst in Ghana. Die Ausweglosigkeit bringt viele ehemalige Goldschuerfer zurueck auf ihr ehemaliges Gelaende und zwingt sie zum weiterschuerfen. Diesmal ohne Erlaubnis und Genehmigung durch den Staat oder der Minenfirma. Das Einkommen fuer taegliche 10 schwere Stunden Arbeit liegt bei ca. 3 Euro pro Mann und Tag fuer die Suche nach Gold, und bei 2,5 Euro fuer die Frauen auf der Suche nach Diamanten. Es ist nicht viel, aber es sichert den Lebensunterhalt und die Zukunft. Die Maenner traeumen von Europa und Deutschland. Sie wissen von Freunden die es als ghanaische Taxifahrer zu einem gehobenen Lebensstandard in unserer Welt gebracht haben. Sie traeumen davon eines Tages nach Deutschland zu kommen und sehen in dem weissen Mann mit der Kamera ihr Glueck. Sie erklaeren uns ihre ausweglose Situation, berichten von den boesen Minenfirmen und den Ungerechtigkeiten die ihnen zu teil wurden. Sie fragen nach unseren Adressen und nach Moeglichkeiten unser Land zu besuchen. Wir sitzen daneben und versuchen das Bild von Deutschland in ein objektives Licht zu ruecken. Die Menschen hoeren uns aufgeregt zu, doch am Ende traeumen sie weiter von einer besseren Zukunft in einem fernen europaeischen Land.
Ihre Art des Goldabbaus fuehrt zu erheblichen Umweltverschmutzungen und gesundheitlichen Problemen. Der Gebrauch von gefaehrlichen Chemikalien durch "small scale miner" fuehrt zu groesseren Umweltproblemen als die "big scale Mining"-Unternehmen verursachen. Es kommt immer wieder zu Konflikten zwischen diesen beiden Interessensgruppen, die sich verbal in Demonstrationen (mit gelegentlichen Schusswaffengebrauch von Seiten der Minenfirmen) aeussern und in grossflaechigen Raeumungen der Minengelaende. Die eine Partei hat rechtmaessig Eigentum erworben und beansprucht dies ausschliesslich fuer sich. Die Andere hat auf tragische Art und Weise ihr Eigentum und Basis verloren, hat kein starkes Sprachrohr und sieht sich von den Minenfirmen als ungerecht behandelt und selber im Recht.
Wer ist hier der Schuldige? Wer ist im Recht und wer im Unrecht? Wie kann solch eine Situation geloest werden?
Wir fragen nach. Wir fahren nach Accra und versuchen mit den zuständigen Behörden zu sprechen. Unser erster Termin führt uns zur Chamber of Mines, der privaten Lobby der Minenunternehmen. In der Oeffentlichkeit bekommt man schnell den Eindruck es handelt sich um eine staatliche Institution, doch sie ist privatrechtlich, was nicht viele wissen. Wir haben ein Termin bei dem Officer für Finance and Planing. Unsere Interviewanfrage ist jedoch auf mysteriöse Weise nicht bis zu ihm vorgedrungen, so dass er verwundert schaut als wir rein rhetorisch noch einmal nach der Erlaubnis zum Aufbau unserer Kamera fragen. Er hätte nichts gegen ein Interview, doch hätte er es vorher wisse müssen und dies auch mit seiner Chefin absprechen sollen. Er führe jedoch sehr gern informelle Gespräche mit Ausländern erzählt er uns und fängt an:
Ghana ist eines der rohstoffreichsten Länder Westafrikas, was viel Entwicklungspotenzial für das Land bietet. Dieses muss genutzt werden, doch dafür ist ein gutes Investitionsklima notwendig, was wiederum die Aufgabe des Staates ist. Er muss für die Anreize sorgen die ausländische Investoren anlocken, um Ghana auf ein höheres Entwicklungsniveau zu heben. Dies bedeutet insbesondere das er investitionsfreundliche Gestzte zu erlassen hat, die Enteignung und Kompensation der Laendereien zu uebernehmen und dafuer zu sorgen hat, dass die Produktion der multinationalen Konzerne nicht gestoert wird (wie z.B. durch die Galamsey's). Die Aufgabe der Mitglieder seiner Kammer ist es dann, mit der neusten Technologie in das Land zu kommen und Gewinne zu erwirtschaften. Aufgrund der Zahlung von Steuern, Royalties, und Dividenden partizipieren der Staat und insbesondere die Menschen in Ghana von den Investitionsvorhaben.
Herr K. bringt seinen Standpunkt sehr klar und bildlich rueber. Er zeichnet uns bluehende Landschaften und prophezeit uns rosige Zeiten. Er praesentiert Zahlen in seinem Computer, die von einer hohen Corporate Responsibility seiner Mitglieder sprechen sollen. Ich blaettere der weilen ein paar Jahre in meinem geistigen Kalender zurueck und entsinne mich an das Jahr 1983, in dem die Strukturanpassungsprogramme (SAP) der Weltbank und des IWFs in Ghana Einzug gehalten haben. Sie hatten die Liberalisierung der Maerkte in den Entwicklungslaendern zur Aufgabe und fuehrten in Ghana u.a. zum Beginn der Investitionstaetigkeiten von internationalen Minenunternehmen. Mittlerweile sind 23 Jahre vergangen und wenn ich durch das Land reise, so kann ich beim besten Willen keine bluehenden Landschaften entdecken.
Wenn man dem statistischen Jahrbuch glauben schenkt, so nahm Gold im Jahre 2003 mit einem Anteil von 30% am gesamten ghanaischen Export eine bestimmende Rolle ein. Alle Minenaktivitaeten zusammen genommen kamen sogar auf einen Anteil von 60%. Der Anteil von Gold wiederum am BIP (Bruttoinlandsprodukt) betrug jedoch lediglich 5%, was einen stutzig werden laesst. Auch wenn man nicht Oekonomie studiert, laesst sich doch hier eine klare Divergenz erkennen. Der Goldexport spielt fuer Ghana eine sehr grosse Rolle und sollte eigentlich eine Menge Devisen einbringen. Der eigentliche Anteil jedoch, sprich das Einkommen was im Land entsteht, ist so gering (5%) das es im klaren Widerspruch zur Hoehe des Exports (30%) steht. Die Gewinne bleiben nicht im Land, sondern verschwinden in dubiose Offshore Finanzplaetze. Das Fachwort fuer dieses Phaenomen lautet ueberings: resource curse [51 der 56 rohstoffreichsten Laender unserer Erde sind zugleich auch die aermsten Laender dieser Welt. „Arm", im Sinne der UN-Richtlinie, welche Menschen beruecksichtigt die mit weniger als zwei Dollar pro Tag ihren Lebensunterhalt bestreiten muessen.]
Dies ist jedoch noch nicht alles: Wenn Laender wie Ghana ueberdurchschnittlich stark von ihren Rohstoffertraegen abhaengen (60%; finanziell gesprochen), so geht fuer das Land eine extrem hohe Gefahr von moeglichen Rohstoffpreisschwankungen aus. Der Goldpreis befindet sich momentan auf einem sehr hohen Niveau, doch kann mit einem Blick in die Daten nicht von einem immer wehrenden Goldpreisanstieg ausgegangen werden. Der Preis schwankt und die Hoehe der Schwankungen ist nicht ganz unbetraechtlich. Sollte es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in den Industrielaendern in den naechsten Jahren kommen, so muss davon ausgegangen werden, dass so manche Reserven die vorruebergehend in Gold gehalten wurden wieder verkauft und auf dem Aktienmarkt investiert werden. Dadurch wird mit einem fallenden Goldpreis zu rechnen sein und somit auch zu geringeren Einnahmen fuer Laender wie Ghana. Im Nachbarstaat, der Elfenbeinkueste, fuehrte dieses Problem aufgrund des Preisverfalls bei Kakao unter anderem zu einem Buergerkrieg und katapultierte das Land aus oekonomischer Sicht hinter Ghana (was zuvor nicht der Fall war).
Ich frage mich, kann ich Herrn K. fuer seine Sichtweise Vorwuerfe machen? Ghana ist offiziell eine Demokratie und er vertritt eine bestimmte Interessensgruppe, eine Lobby, die ihre eigenen Ziele verfolgen moechte. Auch die Tatsache das die Chefin der Chamber of Mines die fruehere Ministerin im Department of Mines war ist nicht verwunderlich. Solche Gegebenheiten lassen sich auch bei uns finden, man erinnere sich nur einmal kurz an die derzeitige Taetigkeit unseres vorherigen Bundeskanzlers.
Wohin wir uns auch drehen und je weiter wir uns mit dem Thema beschaeftigen, desto klarer wird die Frage nach der Rolle des Staates in einer Demokratie. Der Praesident des Landes Ghana hat laut Gesetz (Minerals Act. 703) das Eigentum an allen Mineralien und Rohstoffen inne und diese im Interesse und zum Wohle des Volkes zu verwalten. Doch wie weit ist es mit dem Wohle des Volkes bestellt, wenn seid ca. 23 Jahren in Ghana im grossen Stil Gold abgebaut wird und die Menschen nur einen geringen Fortschritt verspuehren?
Wir wollen uns auch diese Meinung einholen und werden mit grossen Erwartungen bei der Minerals Commission in Accra vorstellig. Die Institution ist Teil des Department of Mines und hauptsächlich mit der Vergabe von Minenkonzessionen und Registrierungen beschäftigt. Leider erleben wir jedoch eine schnelle Ernuechterung. Waehrend wir das Vergnuegen haben auf schlafende Beamte in ihren Sesseln schauen zu duerfen, erklaert uns die freundliche Sekretaerin das ihre Institution hier Business macht und sich der zustaendige Mitarbeiter fuer unser Anliegen gerade in einer mehrstuendigen Mittagspause befindet.
Wir ziehen veraergert und mit fragender Mine ab, aber mit dem sicheren Gefuehl im Bauch das wir hier richtig sind und so schnell nicht aufgeben werden. Immerhin haben wir noch gute Kontakte in die deutsche Botschaft und die werden wir nun anzapfen!
Ohne die Seite des Staates gehoert zu haben, bleiben bei mir eine Menge Frage offen.
Das Land ist reich an Rohstoffen und alle, damit meine ich die Menschen, den Staat und die Firmen wollen davon profitieren. Der Staat, so scheint es mir momentan, will, kann oder moechte keine geeignete Rechtsstruktur schaffen, so dass alle gleichermassen an den Investitionen partizipieren. Daraus folgt die einfache Frage: Warum ist dies so? Was waere Ghana z.B. ohne bzw. mit geringen Minenaktivitaeten? Welche anderen Einkommensquellen lassen sich noch auftun und wie koennte man ghanaische Unternehmen und Entrepreneurs foerdern? In Ghana gibt es so gut wie keinen privaten mittelstaendischen Sektor (wenn man die Haendler auf den Strassen nicht miteinbezieht). Der ghanaische Arbeiter ist zumeist auf dem Feld (es gibt keine private landwirtschaftliche Betriebsstuktur wie bei uns), in einem Grossunternehmen oder auch sehr gern beim Vater Staat beschaeftigt.
Vielleicht liegt es ja „lediglich" an der Korruption in diesem Land? Wenn dies der Fall ist, welcher Weg ist dann einzuschlagen? Sollte man von Dritter Seite aus versuchen dem Staatsapparat mit (politischer) Gewalt eine Good Governance Reform aufzwingen oder fuehrt dieser Weg nur zur vermehrter Korruption? Oder ist ein Wandel nur auf dem „grass-root"-Level, sprich von unten, vom Volke aus zu erreichen? So muesste man in diesem Fall die Arbeit von WACAM unterstuetzen sowie die Bildung neuer NGOs und Interessensgruppen foerdern.
Ich habe das Gefuehl ich bin hier mit der Realitaet konfrontiert, welche sich sonst nur als Theorie in Lehrbuechern finden laesst. Leider habe ich noch an keiner Vorlesung zu Entwicklungsoekonomie bzw. Entwicklungspolitik teilgenommen, doch vielleicht hat ja der eine oder andere von Euch gute (Buch)tipps und Ideen zu der Thematik, denn ich merke das ich die Zusammenhaenge und Geschehnisse noch besser verstehen moechte.

Monday, September 25, 2006





Bilderflut

Ich habe Euch mal wieder ein paar neue Fotos ins Netz gestellt.

Auf dem oberen seht ihr mich beim Fufu essen. Ich weiss nicht ob es so interessant ist mir beim Essen zu zuschauen, jedoch bekommt ihr so eine kleine Vorstellung von unserem Speiseplan hier in Ghana. Im rechten Topf befindet sich das beruechtigte Fufu, welches man mit der Sosse aus dem linken Topf kombiniert.

Auf dem zweiten Bild seht ihr Vivian und mich bei unseren Freunden in Tarkwa, bei denen wir manchmal zu Abend essen und im Anschluss das eine oder andere Bier trinken. Zu meinem erschrecken uebrings, scheuen die Ghana nicht davor zurueck ihr Bier mit Wein (diverser Sorten), Sorft Drinks und Schnaps zu mischen. Unglaublich ecklig...

Auf den beiden letzten Bildern seht ihr Galamseys bei ihrer Arbeit. Auf dem oberen waschen gerade zwei Maenner das Gold aus dem Sand. Dabei schuettet der linke Mann mit dem Eimer den Sand auf das Waschbrett, waehrend der rechte Mann den Sand mit Wasser aussspuelt.

Friday, September 22, 2006

Dekadenz im Schatten der Armut

Mit einem Blick auf den Kalender kam ich vor ein paar Tagen sehr ins staunen. Wir sind nun schon drei Wochen hier in Tarkwa und haben so viele Eindruecke und Erlebnisse zu verarbeiten, dass es mir schwer faellt ueber vieles zu berichten.

Wir koennen uns hier sehr gluecklich schaetzen, denn die Unterkunft in der wir wohnen wird von Tag zu Tag immer mehr unser zu Hause. Auntie Grace, unsere Gastmutter, kuemmert sich liebevoll um uns. Wir bekommen jeden Morgen frisch gebackenes Brot, riesen Avocados und Papaya als Fruehstueck geboten und abends, sofern wir moechten, noch unsere Lieblingsspeisen gekocht. Das mit den Lieblingsspeisen ist hier in Ghana uebrings nicht ganz so einfach. An das glitschige und recht weiche Fufu habe ich mich nun so langesam gewoehnt. Es ist eine Kombination aus Cassava (einer Wurzeknolle die hier vermehrt angebaut wird) und Kochbananen, welche unter einer gefaehrlich anmutenden Prozedur vermischt werden. Dabei stampft ein Mann mit einem immer gleichen Rhythmus einen zwei Meter langen Holzstamm in eine Schale, waehrend die Frau mit windigen Haenden kleine Cassava und Bananenstueckchen dazwischen legt. Bei ungeuebten und voellig rhythumsunfaeghigen Europaern fuehrt diese Taetigkeit zu extremen Blasenbildungen an den Haenden sowie zu unaufhoerlichem Gelaechter unten den indigenen Voelkern. Ein Spass fuer die ganze Familie, so zu sagen.
Zum Glueck gibt es hier aber auch Spaghetti, Kartoffeln und Reis, so dass sich fuer uns immer was Essbares zaubern laesst.

Tagsueber verbringen wir die meiste Zeit im Buero von WACAM, welches direkt an der staedtischen Busstation liegt. Der Nachteil sind die widerlichen Abgase, die hier jeden Tag durch das Buero wehen und die Nase verstopfen. Das „Buero“ selber besteht aus zwei Raeumen in denen hauptsaechlich drei Mitarbeiter taeglich anwesend sind.
Zum einen ist da Kwesi, zustaendig fuer Community Relations. Ein ehemaliger Galamsey (illegaler Goldschuerfer) von 33 Jahren, der sein zu Hause hier im WACAM Office gefunden hat. Er arbeitet hier, er isst hier, er schlaeft hier, er.... Im Grunde ist Kwesi, wenn er nicht in der Kirche ist, immer hier und lernt oder schlaeft. Kwesi hat sich zur Aufgabe gemacht sein High School Diplom nachzuholen, um dann im Anschluss Oekonomie zu studieren. Er paukt also gerade die Einfuehrung in die Oekonomie und Mathematik, um dann spaeter einmal Professor zu werden. Ich will nicht an seinem Talent zweifeln und ihn auch nicht entmutigen, doch der Weg zum Professor ist steinig und steil, besonders hier in Ghana.
Dann ist da Faustin, der Angestellte und das einzige Nicht-WACAM-Mitglied im Buero. Er erledigt hin und wieder Dies und Das, was aber genau seine Aufgaben sind weiss er, glaube ich, selber nicht. Ich habe noch nie einen Menschen so viel ueber Liebe und Sex sprechen hoeren wie ihn. Kennen gelernt habe ich ihn in einer Diskussion ueber die „Wahre Liebe“ und das Frauen in Ghana immer nur das Geld sehen, anstatt den wahren Charakter eines Menschen. Ich bin Faustin sehr dankbar, nicht fuer seine Tipps hinsichtlich Liebe, dafuer aber fuer seine Bemuehungen uns vielen Leuten vorzustellen um uns das Leben hier leichter zu machen. Durch ihn haben wir schon viele Freunde gewonnen, mit denen wir haeufig abends zusammen essen, reden, trinken und somit einen Einblick in das private Leben in Ghana bekommen.
Zu Letzt ist da noch Mr. Paul, der Accountant von WACAM. Ein auf mich sehr intellektuell und gebildet wirkender Mensch. Er sitzt mit seiner kleinen Brille vor dem Computer und den Aktenbergen und hat die Finanzen dieser NGO fest im Griff. Das muss er auch, denn Ausgaben sind auch hier schnell gemacht. Es gibt Geld fuer die unterschiedlichsten Gegebenheiten. Kommen z.B. Bewohner aus den Doerfern zu uns in das Buero oder veranstaltet WACAM einen Workshop, so muss Mr. Paul tief in das obere Schubfach seines Schranks greifen, wo die unzaehligen Buendel an Geld vor sich hin schlummern. Jeder bekommt eine kleine Fahrtkostenpauschale, welche fuer unsere Verhaeltnisse wenig, fuer die Menschen hier jedoch manchmal ein ganzes Monatseinkommen bedeuten kann.
Interessant ist auch das Interieur unserer NGO. Seid vier Jahren darf sich WACAM ueber zwei neue Dell-Computer freuen, welche aufgrund einer grosszuegigen Spende von USAID ihren Platz hier gefunden haben. Als ich dann neulich mal die Ablage des Bueros durchstoeberte, welche aus zwei staubigen Kartons besteht, bin ich zu meinem grossen Erstaunen auf einen wunderschoenen, unbenutzten Beamer gestossen. Im Zuge der Spende hat auch diese Technologie in den Bueros von WACAM Einzug gehalten. An sich eine gute und wichtige Sache wie ich finde, jedoch lag der Beamer nicht ohne Grund seid vier Jahren unter den staubigen Akten begraben.
Die Mitarbeiter wissen wie sie auf ihren Computern Dokumente schreiben koennen, wie man Musik abspielt und vereinzelt auch wie man Exel benutzt. Sie haben jedoch keine Ahnung von Dateistrukturen, Programmen wie PowerPoint oder anderen Anwendungen, geschweige denn davon, wofuer ein Beamer zugebrauchen ist. Worin besteht also die Hilfe wenn man Entwicklungslaendern modernste Technologie zur Verfuegung stellt, Ihnen aber nicht die Ressourcen gewaehrt sie auch in diese Technologie einzufuehren?
Die Folge dessen ist, dass sich zwei deutsche Studenten den Spass erlaubten, den Beamer ueber das Wochenende mit nach Hause zu nehmen, um sich dann im Kinoformat Surfvideos aus einer anderen Welt anzuschauen, in einem Haus wo Menschen wohnen die nicht genug Schulgeld aufbringen koennen und deshalb, anstatt zu lernen, zu Hause bleiben muessen. Das ist Falsch!
Es soll hier jedoch nicht unerwaehnt bleiben, das ich ein aeussert schlechtes Gefuehl bei dieser Dekadenz hatte und wir hier auch nicht untaetig rum sitzen und die Menschen bedauern. Vivian hat seid Beginn unseres Aufenthalts hier die PowerPoint Schulung uebernommen und ich werde den Mitarbeitern Exel naeher bringen. Der richtige Gebrauch eines Beamers folgt nun garantiert auch demnaechst....

Abseits unserer Buerotaetigkeiten hier in Tarkwa haben wir auch unser Dokumentarfilm-Projekt weiter voran getrieben. Anfang letzter Woche haben Vivian und ich dafuer drei Tage in einer kleinen Community namens Chujah verbracht. Ich hatte vor ein paar Wochen in meinem Globalisierungsbericht I schon einmal von Chujah berichtet. Wir sind also wieder zurueckgekehrt in das Dorf um das Leben, die Probleme und die Verhaeltnisse der Menschen genauer vor Ort zu studieren und zu filmen. Ich hatte Anfangs ein mulmiges Gefuehl, denn das Leben im Dorf ist hier ein anderes als das in der Stadt, geschweige denn zu vergleichen mit dem in Deutschland. Ich bin es mittlerweile gewohnt auf viele eurpoaeische Annehmlichkeiten zu verzichten, aber der Blick in unser karges, aus Beton gegossenes Domizil, ohne Matratze und Wasser, hat uns beide etwas verdutzt gucken lassen. Wir waren auch nicht so klug Isomatten mitzubringen, so dass wir zwei „harten“ Naechten entgegen sahen.
Es sollte jedoch anders kommen. Mein Anfangsgefuehl legte sich gleich in den ersten Minuten, da wir so unglaublich herzlichen von den Bewohnern willkommen gehiessen wurden. Die Menschen freuten sich so sehr ueber unser kommen, dass sie es gar nicht abwarten konnten, bis wir unsere Kamera ausgepackt hatten und loslegten. Uns wurde alles gezeigt: von der Landwirtschaft ueber das Dorfleben bis hin zu den Traditionen. Fuer uns wurden Kokosnuesse von den Palmen geschlagen, Essen aus einem 30km entfernten Dorf besorgt, eine Matratze inkl. Laken und Kissen organisiert sowie zwei Oellampen bereit gestellt. Alles nur Erdenklich wurde uns von den Lippen ablesen....ich kam mir sehr unwohl in meiner Haut vor.
Da waren Menschen, die in Lehmhaeusern wohnten, ohne Elektrizitaet, ihre einzigen Einnahmequellen bestanden aus dem Cassavaanbau und der Holzkohleproduktion. Sie haben weniger als 10 Euro pro Woche zur Verfuegung um eine 5-koepfige Familie zu ernaehren, kauften aber jeden Tag fuer uns Reis mit Fleisch, Unmengen an Cola, Brot und Tee und wollten nichts dafuer annehmen. Diese Menschen leben mit oelverschmuzten Trinkwasser und sind auf Frischwasserlieferungen der Minenfirma angewiesen. Einmal am Tag fuehrt die 50 Meter entfernte Mine Sperrungen durch, die an manchen Tagen eine Kraft von 5,6 auf der Richterskala erreichen. In ein paar Wochen wird ihnen nun auch das Farmland genommen und sie hoffen auf Kompensationszahlungen und Umsiedlungen, denn dort weiter wohnen wird vermutlich nicht mehr lange moeglich sein.
Wir fanden am Ende eine Loesung um uns erkenntlich zu zeigen. So zahlten wir jedem Dorfbewohner den wir gefilmt hatten einen kleinen Betrag pro „Drehtag“ als Aufwandsentschaedigung. Sie nahmen es dankend an und wir konnten guten Gewissens nach Hause fahren.

Diese Tage waren sehr eindrucksvoll und praegend fuer mich. Sie haben Spuren hinterlassen die sich vermutlich nicht mehr verwischen lassen. Sie hinterlassen aber auch eine Menge Fragen, auf die ich in diesem Land noch nach Antworten suche.

An dieser Stelle soll aber nun fuer heute Schluss sein. Wie ich schon Anfangs schrieb, es gibt so viel zu berichten, dass ich nicht alles erzaehlen kann. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten und hoffe es geht Euch allen gut?

Viele liebe Gruesse!

Monday, September 18, 2006

Globalisierungsbericht II

Ghana - ein Land vor unserer Zeit?

Die Menschen, das Land, das Klima, die Verhaltensweisen, der Umgang.... Dies alles faellt einem frueher oder spaeter in einem voellig fremden Land auf. Am Anfang ist man ueberwaeltig, erschlagen von den Eindruecken, von den Geruechen und Bildern die auf einen einwirken. Dann beginnt man so langsam aufzuwachen, sich an seine neue Umgebung zu gewoehnen. Ein Tagesablauf spielt sich so langsam ein und es schleicht sich Kontinuietaet in das Leben. Ich kann es nicht Alltag nennen, denn dies scheint es fuer uns hier nicht zu geben, aber viele Dinge wiederholen sich, man kann sich auf sie verlassen.

Dies, so scheint mir, ist dann auch der Punkt in einer Reise, wo man beginnt Parallelen zu seinem Gastland und seiner Heimat zu suchen. Man vergleicht, versucht sich anhand verschiedener Gegebenheiten die Unterschiedlichkeiten und Missverstaendnisse verstaendlich zu machen.

Man kommt in Ghana nicht drum herum festzustellen, dass egal wohin man geht, man mit offenen Armen empfangen wird, das Menschen sich freuen Bekannte auf der Strasse zu treffen, Zeit haben um kurz anzuhalten um sich mit einem Fremden zu unterhalten. Anfangs steht man der Frau auf dem Markt noch misstrauisch gegenueber. Nennt sie mir, dem Obrouni (Weisser), auch wirklich den richtigen Preis fuer das Brot, oder zahle ich aufgrund meiner Hautfarbe einen besonderen Aufschlag? Was ist mit dem Mate (Kassierer) im Trotro, wird er mir unbemerkt von den Anderen weniger Wechselgeld wieder geben oder es sogar komplett vergessen?
Man macht in Ghana diese unglaubliche, scheinbar schon fast verloren gegangene Erfahrung von Hilfsbereitschaft, Offenheit, Freundlichkeit und Ehrlichkeit. Ich wurde bis zum heutigen Tag noch nicht einmal (wissentlich und die Taxifahrer mal ausgenommen) ueber den Tisch gezogen. Sollte sich jemand anmassen, auch nur auf die Idee zu kommen jemanden zu viel Geld abzunehmen oder geschweige denn auszurauben, dann kann man sich der Hilfe seiner Mitmenschen umgehend bewusst sein. Wie z.B. gestern Abend, wo die Meute einen Taschendieb gestellt und zum Polizeirevier gebracht hat. Man sah ca. 50 Menschen die in einer Traube um den Straefling herum standen und ihm keine Moeglichkeit zur Fluch liessen.

Da ich nun schon gerade dabei bin eine kleine Hommage auf Ghana und seine Menschen zu schreiben, moechte ich auch etwas Anderes nicht auslassen.
Ghana besitzt so gut wie kein soziales Netz. Es gibt weder eine Arbeitsloseversicherung noch eine gesetzliche Krankenversicherung, geschweige denn andere soiziale Auffangnetze fuer Hilfsbeduerftige. Hat man es geschafft in einer grossen internationalen Firma unter zukommen, so kann man sich gluecklich schaetzen, denn diese ist meistens die einzige Institution, die Ihre Arbeitnehmer auffaengt. Aber vielleicht ist ja so ein soziales Netz wie wir es in Europa kennen gar nicht noetig?

Unterhaelt man sich mit der Bevoelkerung so bekommt man von ihr ein bemerkenswertes Bild. In den meisten Familien hier arbeitet immer noch ein Grossteil in der Landwirtschaft und besitzt privates Farmland. Kommt nun jemand in Not, hat er seinen Job verloren, kein Geld mehr, keine Unterkunft und nichts zu essen, so kann er jedoch gewiss sein, das er jeder Zeit bei Freunden und Familie unter kommen wird, wohnen kann, Essen erhaelt und ihm ein Stueckchen Land zur eigenen Landwirtschaft zur Verfuegung gestellt wird. Familie und Freunde bilden in Ghana zusammen das soziale Netz, welches Notbeduerftige auffaengt, aufbaut und wieder neue Kraft gibt. Derjenige der solch eine Hilfe in Anspruch nimmt, darf sich jedoch nicht darauf ausruhen. Haus und Hof draengt ihn in moeglichst absehbarer Zeit wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Das erhoeht den Druck, denn die sozialen Zuwendungen seitens der Familie und Freunde sind auch nur zeitlich begrenzt.
Diese starke familiaere Bindung hat aber auch Nachteile. Sie engt ein. Sie hindert Menschen an ihrer persoenlichen Entfaltung, Traeume zu verwirklichen und eigenen Interessen nach zugehen. Hat es jemand zu einer angesehenen Position und einem soliden Einkommen geschafft, so ist er Zeit seines Lebens verpflichtet seine Familie und Freunde mit zu versorgen. Er wird selber von seinem Aufstieg nur wenig profitieren.

Diese Beziehungen schaffen fuer Fremde wie mich in erster Linie eine angenehme Atmosphaere. Man sieht Menschen ein gesundes Verhaeltnis zu einander pflegen. Man fragt sich jedoch auch, wie lange dies noch so weiter gehen mag. Schon meine Generation versucht sich hier von den Fesseln zu befreien, will auf eigenen Beinen stehen. Sie will es Europa und Amerika gleich machen. Unabhaenig, Frei, Individuell. Die Marktwirtschaft und die Globalisierung wird es garantiert erreichen. Doch diejenigen, die leider nicht den noetigen Bildungsstand fuer diese neue Generation mitbringen, diejenigen die aus den Doerfern kommen, die in den Staedten das Geld suchen und in Europa ein Land aus Villen, grossen Autos und unbegrenzten Moeglichkeiten sehen, diejenigen werden hinten ueber fallen. Sie werden nicht zurueckkehren in die Doerfer aus denen sie stammen, werden auch nicht vom Staat aufgefangen. Die Kriminalitaetsrate in den Staedten beginnt zu steigen. Das Problem von Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit wird akut. Die Gefahr der klaffenden Schere zwischen Arm und Reich vergroessert sich. Fortschritt und Markt wird vielen Menschen in Ghana Traeume verwirklichen lassen. Es wird aber auch dazu fuehren, dass sich die soziale Struktur der Gesellschaft veraendert. So wie das marktwirtschaftliche System, u.a. durch die Strukturanpassungsprogramme des IMFs, von den Industrienationen uebernommen wurde, so besteht ebenfalls die Gefahr das auch die entsprechenden Gesellschaftsstrukturen aus diesen Nationen adoptiert werden. Dies soll nicht bedeuten das Ghana in eine Planwirtschaft zurueckfallen soll, es soll vielmehr den Bedarf an sozialen Strukturen aufzeigen, um einen evtl. gesellschaftlichen Umschwung aufzufangen.
Starke soziale familiaere Bindungen sind in Europa und dem Rest der Industrienationen immer seltener zu finden. All zu oft tritt der Staat in diese Stelle, der gezwungen ist seine hilfsbeduerftigen Buerger zu unterstuetzen. Wenn die noetigen sozialen (staatlichen) Strukturen jedoch in einem Land wie Ghana nicht vorhanden sind, wird dies unweigerlich zu gesellschaftlichen Konflikten fuehren.

Ob Ghana diese Probleme meistern wird haengt stark davon ab, was der Staat in den naechsten Jahren im Bereich des good governance gedenkt zu tun. Wie wird er den oeffentlichen Sektor gestalten? Wie werden Verantwortlichkeiten geregelt und wie kann mehr Transparenz in den staatlichen Taetigkeiten erreicht werden?
Viel wichtiger aber sind meines Erachtens der Wille und die Einstellung der Menschen hier in diesem Land, denn der Schluessel zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung liegt in Ihren Haenden!

Eine Prognose ist fuer mich sehr schwer zu treffen, ich hoffe jedoch das die Menschen es schaffen sich so lange wie moeglich ihre positive und offene Art zu erhalten, denn Individualismus und Egoismus wird in unseren Breitengeraden genug gelebt!