Monday, September 25, 2006





Bilderflut

Ich habe Euch mal wieder ein paar neue Fotos ins Netz gestellt.

Auf dem oberen seht ihr mich beim Fufu essen. Ich weiss nicht ob es so interessant ist mir beim Essen zu zuschauen, jedoch bekommt ihr so eine kleine Vorstellung von unserem Speiseplan hier in Ghana. Im rechten Topf befindet sich das beruechtigte Fufu, welches man mit der Sosse aus dem linken Topf kombiniert.

Auf dem zweiten Bild seht ihr Vivian und mich bei unseren Freunden in Tarkwa, bei denen wir manchmal zu Abend essen und im Anschluss das eine oder andere Bier trinken. Zu meinem erschrecken uebrings, scheuen die Ghana nicht davor zurueck ihr Bier mit Wein (diverser Sorten), Sorft Drinks und Schnaps zu mischen. Unglaublich ecklig...

Auf den beiden letzten Bildern seht ihr Galamseys bei ihrer Arbeit. Auf dem oberen waschen gerade zwei Maenner das Gold aus dem Sand. Dabei schuettet der linke Mann mit dem Eimer den Sand auf das Waschbrett, waehrend der rechte Mann den Sand mit Wasser aussspuelt.

Friday, September 22, 2006

Dekadenz im Schatten der Armut

Mit einem Blick auf den Kalender kam ich vor ein paar Tagen sehr ins staunen. Wir sind nun schon drei Wochen hier in Tarkwa und haben so viele Eindruecke und Erlebnisse zu verarbeiten, dass es mir schwer faellt ueber vieles zu berichten.

Wir koennen uns hier sehr gluecklich schaetzen, denn die Unterkunft in der wir wohnen wird von Tag zu Tag immer mehr unser zu Hause. Auntie Grace, unsere Gastmutter, kuemmert sich liebevoll um uns. Wir bekommen jeden Morgen frisch gebackenes Brot, riesen Avocados und Papaya als Fruehstueck geboten und abends, sofern wir moechten, noch unsere Lieblingsspeisen gekocht. Das mit den Lieblingsspeisen ist hier in Ghana uebrings nicht ganz so einfach. An das glitschige und recht weiche Fufu habe ich mich nun so langesam gewoehnt. Es ist eine Kombination aus Cassava (einer Wurzeknolle die hier vermehrt angebaut wird) und Kochbananen, welche unter einer gefaehrlich anmutenden Prozedur vermischt werden. Dabei stampft ein Mann mit einem immer gleichen Rhythmus einen zwei Meter langen Holzstamm in eine Schale, waehrend die Frau mit windigen Haenden kleine Cassava und Bananenstueckchen dazwischen legt. Bei ungeuebten und voellig rhythumsunfaeghigen Europaern fuehrt diese Taetigkeit zu extremen Blasenbildungen an den Haenden sowie zu unaufhoerlichem Gelaechter unten den indigenen Voelkern. Ein Spass fuer die ganze Familie, so zu sagen.
Zum Glueck gibt es hier aber auch Spaghetti, Kartoffeln und Reis, so dass sich fuer uns immer was Essbares zaubern laesst.

Tagsueber verbringen wir die meiste Zeit im Buero von WACAM, welches direkt an der staedtischen Busstation liegt. Der Nachteil sind die widerlichen Abgase, die hier jeden Tag durch das Buero wehen und die Nase verstopfen. Das „Buero“ selber besteht aus zwei Raeumen in denen hauptsaechlich drei Mitarbeiter taeglich anwesend sind.
Zum einen ist da Kwesi, zustaendig fuer Community Relations. Ein ehemaliger Galamsey (illegaler Goldschuerfer) von 33 Jahren, der sein zu Hause hier im WACAM Office gefunden hat. Er arbeitet hier, er isst hier, er schlaeft hier, er.... Im Grunde ist Kwesi, wenn er nicht in der Kirche ist, immer hier und lernt oder schlaeft. Kwesi hat sich zur Aufgabe gemacht sein High School Diplom nachzuholen, um dann im Anschluss Oekonomie zu studieren. Er paukt also gerade die Einfuehrung in die Oekonomie und Mathematik, um dann spaeter einmal Professor zu werden. Ich will nicht an seinem Talent zweifeln und ihn auch nicht entmutigen, doch der Weg zum Professor ist steinig und steil, besonders hier in Ghana.
Dann ist da Faustin, der Angestellte und das einzige Nicht-WACAM-Mitglied im Buero. Er erledigt hin und wieder Dies und Das, was aber genau seine Aufgaben sind weiss er, glaube ich, selber nicht. Ich habe noch nie einen Menschen so viel ueber Liebe und Sex sprechen hoeren wie ihn. Kennen gelernt habe ich ihn in einer Diskussion ueber die „Wahre Liebe“ und das Frauen in Ghana immer nur das Geld sehen, anstatt den wahren Charakter eines Menschen. Ich bin Faustin sehr dankbar, nicht fuer seine Tipps hinsichtlich Liebe, dafuer aber fuer seine Bemuehungen uns vielen Leuten vorzustellen um uns das Leben hier leichter zu machen. Durch ihn haben wir schon viele Freunde gewonnen, mit denen wir haeufig abends zusammen essen, reden, trinken und somit einen Einblick in das private Leben in Ghana bekommen.
Zu Letzt ist da noch Mr. Paul, der Accountant von WACAM. Ein auf mich sehr intellektuell und gebildet wirkender Mensch. Er sitzt mit seiner kleinen Brille vor dem Computer und den Aktenbergen und hat die Finanzen dieser NGO fest im Griff. Das muss er auch, denn Ausgaben sind auch hier schnell gemacht. Es gibt Geld fuer die unterschiedlichsten Gegebenheiten. Kommen z.B. Bewohner aus den Doerfern zu uns in das Buero oder veranstaltet WACAM einen Workshop, so muss Mr. Paul tief in das obere Schubfach seines Schranks greifen, wo die unzaehligen Buendel an Geld vor sich hin schlummern. Jeder bekommt eine kleine Fahrtkostenpauschale, welche fuer unsere Verhaeltnisse wenig, fuer die Menschen hier jedoch manchmal ein ganzes Monatseinkommen bedeuten kann.
Interessant ist auch das Interieur unserer NGO. Seid vier Jahren darf sich WACAM ueber zwei neue Dell-Computer freuen, welche aufgrund einer grosszuegigen Spende von USAID ihren Platz hier gefunden haben. Als ich dann neulich mal die Ablage des Bueros durchstoeberte, welche aus zwei staubigen Kartons besteht, bin ich zu meinem grossen Erstaunen auf einen wunderschoenen, unbenutzten Beamer gestossen. Im Zuge der Spende hat auch diese Technologie in den Bueros von WACAM Einzug gehalten. An sich eine gute und wichtige Sache wie ich finde, jedoch lag der Beamer nicht ohne Grund seid vier Jahren unter den staubigen Akten begraben.
Die Mitarbeiter wissen wie sie auf ihren Computern Dokumente schreiben koennen, wie man Musik abspielt und vereinzelt auch wie man Exel benutzt. Sie haben jedoch keine Ahnung von Dateistrukturen, Programmen wie PowerPoint oder anderen Anwendungen, geschweige denn davon, wofuer ein Beamer zugebrauchen ist. Worin besteht also die Hilfe wenn man Entwicklungslaendern modernste Technologie zur Verfuegung stellt, Ihnen aber nicht die Ressourcen gewaehrt sie auch in diese Technologie einzufuehren?
Die Folge dessen ist, dass sich zwei deutsche Studenten den Spass erlaubten, den Beamer ueber das Wochenende mit nach Hause zu nehmen, um sich dann im Kinoformat Surfvideos aus einer anderen Welt anzuschauen, in einem Haus wo Menschen wohnen die nicht genug Schulgeld aufbringen koennen und deshalb, anstatt zu lernen, zu Hause bleiben muessen. Das ist Falsch!
Es soll hier jedoch nicht unerwaehnt bleiben, das ich ein aeussert schlechtes Gefuehl bei dieser Dekadenz hatte und wir hier auch nicht untaetig rum sitzen und die Menschen bedauern. Vivian hat seid Beginn unseres Aufenthalts hier die PowerPoint Schulung uebernommen und ich werde den Mitarbeitern Exel naeher bringen. Der richtige Gebrauch eines Beamers folgt nun garantiert auch demnaechst....

Abseits unserer Buerotaetigkeiten hier in Tarkwa haben wir auch unser Dokumentarfilm-Projekt weiter voran getrieben. Anfang letzter Woche haben Vivian und ich dafuer drei Tage in einer kleinen Community namens Chujah verbracht. Ich hatte vor ein paar Wochen in meinem Globalisierungsbericht I schon einmal von Chujah berichtet. Wir sind also wieder zurueckgekehrt in das Dorf um das Leben, die Probleme und die Verhaeltnisse der Menschen genauer vor Ort zu studieren und zu filmen. Ich hatte Anfangs ein mulmiges Gefuehl, denn das Leben im Dorf ist hier ein anderes als das in der Stadt, geschweige denn zu vergleichen mit dem in Deutschland. Ich bin es mittlerweile gewohnt auf viele eurpoaeische Annehmlichkeiten zu verzichten, aber der Blick in unser karges, aus Beton gegossenes Domizil, ohne Matratze und Wasser, hat uns beide etwas verdutzt gucken lassen. Wir waren auch nicht so klug Isomatten mitzubringen, so dass wir zwei „harten“ Naechten entgegen sahen.
Es sollte jedoch anders kommen. Mein Anfangsgefuehl legte sich gleich in den ersten Minuten, da wir so unglaublich herzlichen von den Bewohnern willkommen gehiessen wurden. Die Menschen freuten sich so sehr ueber unser kommen, dass sie es gar nicht abwarten konnten, bis wir unsere Kamera ausgepackt hatten und loslegten. Uns wurde alles gezeigt: von der Landwirtschaft ueber das Dorfleben bis hin zu den Traditionen. Fuer uns wurden Kokosnuesse von den Palmen geschlagen, Essen aus einem 30km entfernten Dorf besorgt, eine Matratze inkl. Laken und Kissen organisiert sowie zwei Oellampen bereit gestellt. Alles nur Erdenklich wurde uns von den Lippen ablesen....ich kam mir sehr unwohl in meiner Haut vor.
Da waren Menschen, die in Lehmhaeusern wohnten, ohne Elektrizitaet, ihre einzigen Einnahmequellen bestanden aus dem Cassavaanbau und der Holzkohleproduktion. Sie haben weniger als 10 Euro pro Woche zur Verfuegung um eine 5-koepfige Familie zu ernaehren, kauften aber jeden Tag fuer uns Reis mit Fleisch, Unmengen an Cola, Brot und Tee und wollten nichts dafuer annehmen. Diese Menschen leben mit oelverschmuzten Trinkwasser und sind auf Frischwasserlieferungen der Minenfirma angewiesen. Einmal am Tag fuehrt die 50 Meter entfernte Mine Sperrungen durch, die an manchen Tagen eine Kraft von 5,6 auf der Richterskala erreichen. In ein paar Wochen wird ihnen nun auch das Farmland genommen und sie hoffen auf Kompensationszahlungen und Umsiedlungen, denn dort weiter wohnen wird vermutlich nicht mehr lange moeglich sein.
Wir fanden am Ende eine Loesung um uns erkenntlich zu zeigen. So zahlten wir jedem Dorfbewohner den wir gefilmt hatten einen kleinen Betrag pro „Drehtag“ als Aufwandsentschaedigung. Sie nahmen es dankend an und wir konnten guten Gewissens nach Hause fahren.

Diese Tage waren sehr eindrucksvoll und praegend fuer mich. Sie haben Spuren hinterlassen die sich vermutlich nicht mehr verwischen lassen. Sie hinterlassen aber auch eine Menge Fragen, auf die ich in diesem Land noch nach Antworten suche.

An dieser Stelle soll aber nun fuer heute Schluss sein. Wie ich schon Anfangs schrieb, es gibt so viel zu berichten, dass ich nicht alles erzaehlen kann. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten und hoffe es geht Euch allen gut?

Viele liebe Gruesse!

Monday, September 18, 2006

Globalisierungsbericht II

Ghana - ein Land vor unserer Zeit?

Die Menschen, das Land, das Klima, die Verhaltensweisen, der Umgang.... Dies alles faellt einem frueher oder spaeter in einem voellig fremden Land auf. Am Anfang ist man ueberwaeltig, erschlagen von den Eindruecken, von den Geruechen und Bildern die auf einen einwirken. Dann beginnt man so langsam aufzuwachen, sich an seine neue Umgebung zu gewoehnen. Ein Tagesablauf spielt sich so langsam ein und es schleicht sich Kontinuietaet in das Leben. Ich kann es nicht Alltag nennen, denn dies scheint es fuer uns hier nicht zu geben, aber viele Dinge wiederholen sich, man kann sich auf sie verlassen.

Dies, so scheint mir, ist dann auch der Punkt in einer Reise, wo man beginnt Parallelen zu seinem Gastland und seiner Heimat zu suchen. Man vergleicht, versucht sich anhand verschiedener Gegebenheiten die Unterschiedlichkeiten und Missverstaendnisse verstaendlich zu machen.

Man kommt in Ghana nicht drum herum festzustellen, dass egal wohin man geht, man mit offenen Armen empfangen wird, das Menschen sich freuen Bekannte auf der Strasse zu treffen, Zeit haben um kurz anzuhalten um sich mit einem Fremden zu unterhalten. Anfangs steht man der Frau auf dem Markt noch misstrauisch gegenueber. Nennt sie mir, dem Obrouni (Weisser), auch wirklich den richtigen Preis fuer das Brot, oder zahle ich aufgrund meiner Hautfarbe einen besonderen Aufschlag? Was ist mit dem Mate (Kassierer) im Trotro, wird er mir unbemerkt von den Anderen weniger Wechselgeld wieder geben oder es sogar komplett vergessen?
Man macht in Ghana diese unglaubliche, scheinbar schon fast verloren gegangene Erfahrung von Hilfsbereitschaft, Offenheit, Freundlichkeit und Ehrlichkeit. Ich wurde bis zum heutigen Tag noch nicht einmal (wissentlich und die Taxifahrer mal ausgenommen) ueber den Tisch gezogen. Sollte sich jemand anmassen, auch nur auf die Idee zu kommen jemanden zu viel Geld abzunehmen oder geschweige denn auszurauben, dann kann man sich der Hilfe seiner Mitmenschen umgehend bewusst sein. Wie z.B. gestern Abend, wo die Meute einen Taschendieb gestellt und zum Polizeirevier gebracht hat. Man sah ca. 50 Menschen die in einer Traube um den Straefling herum standen und ihm keine Moeglichkeit zur Fluch liessen.

Da ich nun schon gerade dabei bin eine kleine Hommage auf Ghana und seine Menschen zu schreiben, moechte ich auch etwas Anderes nicht auslassen.
Ghana besitzt so gut wie kein soziales Netz. Es gibt weder eine Arbeitsloseversicherung noch eine gesetzliche Krankenversicherung, geschweige denn andere soiziale Auffangnetze fuer Hilfsbeduerftige. Hat man es geschafft in einer grossen internationalen Firma unter zukommen, so kann man sich gluecklich schaetzen, denn diese ist meistens die einzige Institution, die Ihre Arbeitnehmer auffaengt. Aber vielleicht ist ja so ein soziales Netz wie wir es in Europa kennen gar nicht noetig?

Unterhaelt man sich mit der Bevoelkerung so bekommt man von ihr ein bemerkenswertes Bild. In den meisten Familien hier arbeitet immer noch ein Grossteil in der Landwirtschaft und besitzt privates Farmland. Kommt nun jemand in Not, hat er seinen Job verloren, kein Geld mehr, keine Unterkunft und nichts zu essen, so kann er jedoch gewiss sein, das er jeder Zeit bei Freunden und Familie unter kommen wird, wohnen kann, Essen erhaelt und ihm ein Stueckchen Land zur eigenen Landwirtschaft zur Verfuegung gestellt wird. Familie und Freunde bilden in Ghana zusammen das soziale Netz, welches Notbeduerftige auffaengt, aufbaut und wieder neue Kraft gibt. Derjenige der solch eine Hilfe in Anspruch nimmt, darf sich jedoch nicht darauf ausruhen. Haus und Hof draengt ihn in moeglichst absehbarer Zeit wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Das erhoeht den Druck, denn die sozialen Zuwendungen seitens der Familie und Freunde sind auch nur zeitlich begrenzt.
Diese starke familiaere Bindung hat aber auch Nachteile. Sie engt ein. Sie hindert Menschen an ihrer persoenlichen Entfaltung, Traeume zu verwirklichen und eigenen Interessen nach zugehen. Hat es jemand zu einer angesehenen Position und einem soliden Einkommen geschafft, so ist er Zeit seines Lebens verpflichtet seine Familie und Freunde mit zu versorgen. Er wird selber von seinem Aufstieg nur wenig profitieren.

Diese Beziehungen schaffen fuer Fremde wie mich in erster Linie eine angenehme Atmosphaere. Man sieht Menschen ein gesundes Verhaeltnis zu einander pflegen. Man fragt sich jedoch auch, wie lange dies noch so weiter gehen mag. Schon meine Generation versucht sich hier von den Fesseln zu befreien, will auf eigenen Beinen stehen. Sie will es Europa und Amerika gleich machen. Unabhaenig, Frei, Individuell. Die Marktwirtschaft und die Globalisierung wird es garantiert erreichen. Doch diejenigen, die leider nicht den noetigen Bildungsstand fuer diese neue Generation mitbringen, diejenigen die aus den Doerfern kommen, die in den Staedten das Geld suchen und in Europa ein Land aus Villen, grossen Autos und unbegrenzten Moeglichkeiten sehen, diejenigen werden hinten ueber fallen. Sie werden nicht zurueckkehren in die Doerfer aus denen sie stammen, werden auch nicht vom Staat aufgefangen. Die Kriminalitaetsrate in den Staedten beginnt zu steigen. Das Problem von Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit wird akut. Die Gefahr der klaffenden Schere zwischen Arm und Reich vergroessert sich. Fortschritt und Markt wird vielen Menschen in Ghana Traeume verwirklichen lassen. Es wird aber auch dazu fuehren, dass sich die soziale Struktur der Gesellschaft veraendert. So wie das marktwirtschaftliche System, u.a. durch die Strukturanpassungsprogramme des IMFs, von den Industrienationen uebernommen wurde, so besteht ebenfalls die Gefahr das auch die entsprechenden Gesellschaftsstrukturen aus diesen Nationen adoptiert werden. Dies soll nicht bedeuten das Ghana in eine Planwirtschaft zurueckfallen soll, es soll vielmehr den Bedarf an sozialen Strukturen aufzeigen, um einen evtl. gesellschaftlichen Umschwung aufzufangen.
Starke soziale familiaere Bindungen sind in Europa und dem Rest der Industrienationen immer seltener zu finden. All zu oft tritt der Staat in diese Stelle, der gezwungen ist seine hilfsbeduerftigen Buerger zu unterstuetzen. Wenn die noetigen sozialen (staatlichen) Strukturen jedoch in einem Land wie Ghana nicht vorhanden sind, wird dies unweigerlich zu gesellschaftlichen Konflikten fuehren.

Ob Ghana diese Probleme meistern wird haengt stark davon ab, was der Staat in den naechsten Jahren im Bereich des good governance gedenkt zu tun. Wie wird er den oeffentlichen Sektor gestalten? Wie werden Verantwortlichkeiten geregelt und wie kann mehr Transparenz in den staatlichen Taetigkeiten erreicht werden?
Viel wichtiger aber sind meines Erachtens der Wille und die Einstellung der Menschen hier in diesem Land, denn der Schluessel zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung liegt in Ihren Haenden!

Eine Prognose ist fuer mich sehr schwer zu treffen, ich hoffe jedoch das die Menschen es schaffen sich so lange wie moeglich ihre positive und offene Art zu erhalten, denn Individualismus und Egoismus wird in unseren Breitengeraden genug gelebt!

Saturday, September 09, 2006

Erlesenes aus der Fotokiste

Auf dem ersten Bild seht ihr Julia (ASA), Vivian (mein Projekt-Partner), Moses (italiniescher Doktorand in Tarkwa) und seine ghanaische Freundin die er sich hier angelacht hat. :-) Das Bild ist letztes Wochenende am Strand von Cape Coast entstanden.


Das zweite Bild stammt von einer 'Chief Installation' wo wir diesen Freitag waren. Der Typ auf dem Bild ist ein Chief und das Gold was ihn schmueckt ist echt und 100%tig....

Auf dem letzten Bild seht ihr unmissverstaendlich mich und den Chairman von WACAM. :-) Hinter ihm koennt ihr auch Hannah und dahinter Daniel entdecken, die beiden Chefs und Gruender unserer NGO.


Friday, September 08, 2006

Viel Neues im Westen.

Einige von Euch Fragen sich vielleicht nach diesem elendig langen Bericht zuvor, wie es mir sonst so in Tarkwa ergeht, was wir abseits der Arbeit machen und wo wir ueberhaupt wohnen????

Also. Untergekommen sind wir anfangs vorruebergehend in einem kleinen Hotel hier in Tarkwa. Der Raum war klein, die Betten gut und der Preis bezahlbar – eigentlich gute Vorraussetzungen, wenn da nicht die Millionen von Mosikitos gewesen waeren, die uns taeglich mit ihrer Malaria-Fratze auf der Toilette und der Dusche begruessten. Mit anderen Worten: Wir mussten da raus! Nun wohnen wir bei einem germanophilen Ghanaen, mit dem wir die Entwicklungschancen Afrikas diskutieren, wie gut man hier doch schnelle Geschaefte machen kann da das Land unterentwickelt ist (er importiert gebrauchte Kuehlschraenke aus Eurpa und macht gute 100% damit) und wieso Homosexuelle bestraft und verknackt werden sollten. Er hat lange Zeit in Holland gelebt, auch einen Job in Hamburg hat er gehabt und er weiss warum Afrika heute immer noch so schlecht da steht....und zwar aufgrund des Bildes, welches wir Europaer von Afrika im Kopf haben. Wir kommen im Ganzen sehr gut mit ihm aus, insbesondere weil der Rest der Familie super nett ist und wir fuer das Zimmer nichts bezahlen muessen. An die Grosskueche, welche an unser Fenster angrenzt und mit Babygebruell und lautstarken Diskussion morgens um 03.00 Uhr in Gang gesetzt wird, haben wir uns mittlerweile auch schon fast gewoehnt. Aber hatte ich eigentlich schon erwaehnt, dass das Zimmer umsonst ist.....????

Ansonsten haben wir die Zeit damit verbracht die diversen Communities zu besuchen, uns die Probleme anzuhoeren und uns hier in dem kleinen Buero zu Recht zu finden. Diverse europaeische Arbeitsmethoden haben wir auch so gleich implementiert, so ist z.B. die Wand in einem der Bueros mit Plakaten ueber unseren „Action Plan“, „Doku-Ideen“, „Time-Schedule“ etc. voll tapeziert.
Wenn wir also nicht in den Communities oder auf WACAM Veranstaltungen stecken, dann versuchen Vivian und ich unsere Projektideen voran zu treiben. Das heisst in erster Linie zu versuchen, ansatzweise die Probleme und Zusammenhaenge hier zu verstehen (was auf Grund komplizierter Verstrickungen und einiger Kommunikationsprobleme nicht immer ganz einfach ist), Moeglichkeiten auszuloten und Informationen zu sammeln.
Wir werden versuchen in den naechsten 2-3 Wochen unsere Dokumentation zu drehen und dafuer Anfang naechster Woche eine Community besuchen.

Abseits von der ganzen „Arbeit“ waren wir am Wochenende in Cape Coast, wo ein riesiger Karneval statt fand. Es waren tausende von Menschen auf den Strassen die getanzt und gefeiert haben und dicke, mit Gold behaengte Chiefs haben sich feiern und bewirten lassen. Mittendrin tanzten ausgelassen ein paar deutsche und polnische ASA Studenten, die von dem Treiben fasziniert duch die Strassen taummelten.
Auf dem Rueckweg nach Tarkwa haben wir noch einen kurzen Stopp in El Mina eingelegt und eines der riesigen Castles besucht, welches den Hollaendern und Britten als Gefaengniss zur Verschiffung von Sklaven nach Uebersee im 19. Jahrhundert gedient hat. Ein monstroese Anlage.... Bilder folgen!

So viel von mir aus Ghana. Ich hoffe es geht Euch allen gut? Lasst was von Euch hoeren, ich freu mich ueber jede Mail und jeden Anruf.

Sebastian
Globalisierungsbericht I

Bericht von der Globalisierungsfront

Diesmal ist es leider ein bisschen mehr geworden, aber zum einen habe ich nen super Computer bei uns im Buero ergattert, zum anderen regnet es gerade und ausserdem dachte ich, vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen von Euch:

Vivian und ich sind nun mittlerweile fast zwei Wochen hier in Tarkwa und wir haben eine Menge Eindruecke und Erlebnisse zu verarbeiten. Anfang letzter Woche ging es auch gleich genauso intensiv weiter wie der Sonntag zuvor aufhoerte. WACAM hatte einen dreitaegigen Workshop fuer die Mitglieder und Kandidaten des District Assembleys (D.A.) organisiert und ausgerichtet. Das D.A. ist die lokale parlamentarische Ebene in den 138 Districts des Landes. Jedem Assembley steht ein Chief Secretary vor, welcher hoechst eigens vom Praesidenten des Landes ernannt wird. Weiterhin werden 30% des Assemblys durch Vertreter der national regierenden Partei (momentan NPP von John Agykem Kufour) besetzt und der Rest kann dann frei gewaehlt werden. Wenn man dieses Konstrukt einmal kurz durchdenkt stellt man fest, dass die Oppositionsparteien reichlich schlecht dabei abschneiden. Diejenige Partei, welche die nationalen Wahlen gewinnt, hat demnach auch direkten Einfluss auf die einzelnen Regionen des Landes und kann die Entwicklung deutlich mitbestimmen. Ein doch sehr fragwuerdiges demokratisches Konstrukt. Es kann noch hinzu gefuegt werden, dass diese momentan existierende Konstruktion in der Oeffentlichkeit und bei verschiedenen Institutionen kontrovers diskutiert wird und sich in absehbarer Zeit auch Veraenderungen ergeben koennten.

Was mich aber auf diesem Workshop noch mehr erstaunte, war das mankelnde politische Wissen vieler Teilnehmer. Das Wissen ueber Staatsaufbau, Staatsstrukturen, Grundgesetze; Rechte, Pflichten und Aufgaben eines Assembley Mitglieds fehlte bei vielen Teilnehmern fast voelligst. Wenn man nun bedenkt das der Grossteil von ihnen am 12. September zur Wahl fuer die Assembley’s stehen und WACAM angeblich die einzige Organisation ist die solche Workshops durchfuehrt (lt. Angabe von WACAM, was jedoch noch zu ueberpruefen bleibt), dann ist dies doch sehr erschreckend. Die vorangegangenen Zeilen sollen jedoch nicht als Anklage an die Menschen aufgefasst werden, sondern vielmehr an den Staat der offensichtlich seiner Pflicht zur Bereitstellung von landsweiter Bildung nicht nachkommt. Beweise dafuer lassen sich dann ueberings auch recht schnell finden.
Ca. 1 Autostunde, bzw. Tro tro-Stunde, von hier entfernt liegt das Dorf Kofi Gyan. Es ist noch nicht vom Goldabbau betroffen, obwohl sich Tarkwa Goldfields Ltd. schon die Rechte an den Mineralien gesichert hat. Dieses Dorf ist noch so natuerlich und urspruenglich, dass es glatt ohne Elektrizitaet und Schule darsteht. Zudem stehen nicht einmal genuegend Unterkuenfte zur Verfuegung um moegliche Lehrer in dem Dorf unterzubringen. Also unterrichten die Dorfbewohner ihre Kinder selbst und zwar in der Kirche (denn die Schule ist vom Einsturz bedroht), doch dies gelingt nur bis zu einem Bildungsstand, vergleichbar mit dem eines 6. Klaesslers in Deutschland. Kann man also unter solchen Bedingungen ein einfaches politisches Wissen von den Menschen verlangen? Kann man eine effektive und zielgerichtete Arbeit von den Mitgliedern des Assembley’s unter solchen Vorraussetzungen erwarten?

Fuer uns war der Workshop jedoch sehr lehrreich, denn er lieferte einen umfassenden Ueberblick ueber die politische und rechtliche Situation in Ghana. Durch ihn wurden fuer uns viele Zusammenhaenge und Denkweisen verstaendlicher. Ein Beispiel?

Das Dorf Chujah bietet sich hier an. Eine kleine 100 Seelen Gemeinde die hauptsaechlich von der Landwirtschaft lebt und sich ernaehrt bzw. man sollte sagen, gelebt und ernaehrt hat. Die Firma Bogoso Goldmines Ltd. hat vor mehreren Jahren das Land auf dem Bananen, Cassava und Kakao angebaut wurden, von seinem rechtmaessigen Eigentuemer erworben. Der Eigentuemer ueber die 1.800 Hektar umfassenden Laendereien ist der Paramount Chief, welcher dem Dorf vorsteht. Dieser hat fuer den Verkauf vor Jahren eine viel zu niedrige Kompensationszahlung erhalten und diese zu gerechten Teilen an die Bauern weitergeleitet. Die Bauern haben sich gefreut, denn das Land wurde nicht sofort von Bogoso in Beschlag genommen und sie konnten neben der einmaligen Sonderzahlung weiterhin von ihrer Landwirtschaft leben. Mittlerweile hat sich das Blatt jedoch gewendet. Die angrenzenden Minenarbeiten, fuehrten ueber Jahre hinweg zur Verschmutzung des Grundwassers und somit zur unwiderruflichen Abhaenigkeit von Wasserlieferungen durch die Goldminenfirma. Das dies natuerlich nicht immer reibungslos klappt erwaehne ich hier nur am Rande. Des Weiteren fuehren die Sprennungen des Gesteins zu enormen Erschuetterungen, so dass die Betonwaende der Haeuser Risse bekommen und Einsturzgefaehrdet sind. Ab Mitte Oktober werden nun schlussendlich auch die Bulldozer anrollen und die Farmen der Dorfbewohner zerstoeren, um auf dem Land eine Kaffeeplantage zu errichten. Diese wird natuerlich nicht genuegend Arbeitsplaetze fuer alle betroffenen Bauern schaffen, so dass ein Grossteil ohne Arbeit und Einkommen darsteht. Und die geringen Kompensationszahlungen? Die sind zumeist schon laengst aufgebraucht oder werden dies in naher Zukunft sein.
Nun stellt sich jedoch die Frage: Ist die Bogoso Goldmines Ltd. der Boesewicht auf dem die ganze Schuld lastet und den die Dorfbewohner so lautstark anklagen?

Das Problem stellt sich verzweigt dar.

Die externen Effekte des Goldabbaus sind ein enormes Problem fuer die die einzelnen Minengesellschaft Rechnung tragen muessen und fuer deren Umsetzung es auch sicherlich gilt zu kaempfen. Ein weiteres, nicht minderes, Problem jedoch liegt bei dem Paramount Chief. Er steht dem Dorf vor und die Dorfbewohner vertrauen ihm, sie sind ihm hoerig, sie folgen seinem weisen Ratschlaegen und zweifeln selten etwas an. Er hat die Aufgabe sein Dorf zu beschuetzen und einen angemessenen und fairen Preis fuer DAS Land auszuhandeln, von dem alle im Dorf abhaenig sind. Doch der Chief ist wohlbeleibt und wird gut von der Minenfirma bezahlt. Er denkt in erster Linie an sich, anstatt an faire Verhandlungen. Sein Status laesst ihn fast immer unangetastet.
Diese Situation, welche mir rechtlich gestuetzt scheint, fuehrt nun dazu, dass:
a) die Goldminen ordnungsgemaess Land erwerben, auf diesem Goldabbau betreiben und das Recht besitzen Doerfer umzusiedeln. Die noetige umfassende soziale Verantwortung fuer die betroffenen Communities wird jedoch nur eingeschraenkt uebernommen.
b) die Chiefs vieler Doerfer noch reicher und beleibter werden, als sie es eh schon sind. Das Gesetz gibt ihnen die Moeglichkeit ihre Laendereien fuer einen Bruchteil ihres Wertes zu verkaufen und somit komplette Doerfer in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
c) die Dorfbewohner in erster Linie das Problem in den Goldminen und nicht in der unfairen Rechtslage und der Ruecksichtslosigkeit ihrer Chiefs sehen. Der geringe Bildungsstand fuehrt zu Hilfslosigkeit der Dorfbewohner, welche sich nicht selten in lautstarken Aeusserungen und in Demonstrationen aeussert.

Was kann nun angesicht dieser umfassenden Problematik die Aufgabe eines Geografen sowie eines Oekonomen innerhalb von knapp zwei Monaten sein? Was ist realistisch zu erreichen, was ist Utopie?
Wir haben unsere Zeit zweigeteilt. Die eine Haelfte werden wir damit verbringen mehrere Auswirkungen des Goldabbaus dokumentarisch auf MiniDV festzuhalten. Dabei wollen wir ein betroffenes Dorf mehrere Tage lang besuchen und die Menschen dort begleiten. Wir wollen die Aufklaerungsarbeit von WACAM in den Doerfern zeigen, wir wollen Galamsey’s (nicht organisierte Minenarbeiter) bei ihrer Arbeit beobachten und ihr Leben festhalten und dies zu letzt in den Kontrast mit dem maschniellen Abbau von Gold in den grossen Minen stellen. Bis zum jetztigen Zeitpunkt konnten wir schon eine Menge Kontake aufbauen und hoffen das wir in den naechsten Wochen erfolgreich filmen koennen.

Fuer die zweite Haelfte haben wir uns eine etwas wissenschaftlichere Arbeit vorgenommen. Unsere Idee ist folgende: Wir wollen versuchen fuer die Communities, welche noch nicht von Minenaktivitaeten betroffen sind, die geografischen Auswirkungen bei einem moeglichen Landverkauf zu ermittlen (betroffene Groesse der Landflaeche, Aenderung der Vegetation, moegliche Umweltverschmutzungen, geografische Auswirkungen auf das Dorf), am Beispiel von 1-3 Farmern. Daran anknuepfend wollen wir einen oekonomischen Preis fuer einen Hektar Land einer bestimmten Anbausorte ermitteln, welcher unter oekonomischen Gesichtspunkten als gerecht erscheint.
Die Arbeit soll den Communities helfen in Verhandlungen mit den Firmen einen besseren Standpunkt zu erhalten, da ihre Forderungen dann auf einer wissenschaftlichen Arbeit basieren. Zudem kann sie fuer WACAM hilfreich sein, um die Menschen auf Grundlage fundierter Informationen und Daten besser zu sensibilisieren.
Was hierbei umgesetzt werden kann wird sich jedoch erst in den kommenden Wochen rausstellen. Ich werde hier noch bis Anfang November mitarbeiten, Vivian ist noch ein Monat laenger hier, da diese Arbeit seine Diplomarbeit werden soll. Wir haben uns vielleicht zu viel vorgenommen, doch auch wenn wir nur einen kleinen Teil davon realisieren, haben wir sicherlich schon viel erreicht.

Es gaebe noch so viel mehr zu erzaehlen, doch ich werde jetzt hier aufhoeren und Euch nicht laenger von Wichtigerem abhalten. Wer sich dies bis zum Ende durch gelesen hat, fuer den hoffe ich, dass es informativ war und er etwas mitnehmen konnte. Denn von der Zeit hier in Ghana moechte ich auch andere teilhaben lassen.

Alles Gute nach Deutschland und bis demnaechst.

Euer Sebastian